Entscheidungsstichwort (Thema)

Die Realität III

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Zustimmung des Berechtigten zur erstmaligen öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 19a UrhG) eines schutzfähigen Werks beseitigt nicht (erst) die Rechtswidrigkeit eines durch Setzen eines "framenden" Links verwirklichten Eingriffs in ein unbenanntes Nutzungsrecht i.S.d. § 15 Abs. 2 UrhG, sondem hat zur Folge, dass die Verlinkung schon nicht tatbestandsmäßig ist, so dass es bereits an einem Eingriff in das unbenannte Ausschließlichkeitsrecht des Berechtigten fehlt. Der Berechtigte hat daher im Prozess nach allgemeinen Grundsätzen seine fehlende Zustimmung zur erstmaligen öffentlichen Zugänglichmachung seines Werks darzulegen und zu beweisen.

 

Normenkette

UrhG § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, §§ 19a, 97

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 02.02.2011; Aktenzeichen 37 O 15777/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 02.2.2011, Az. 37 O 15777/10, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz hat die Klägerin 58 % zu tragen, die Beklagten haben jeweils 21 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten, soweit im Berufungsverfahren noch von Belang, wegen der Wiedergabe eines Videos im Wege des sog. Framings - eine Wiedergabe, die sie als urheberrechtlich unzulässig erachtet - zuletzt noch auf Schadenersatz und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch.

Die Klägerin stellt Wasserfiltersysteme mit Umkehr-Osmose-Filtern her, die sie auch vertreibt. Zu Marketingzwecken hat sie von der Fa. P., Inhaber A. W., das streitgegenständliche Video "Die Realität" zum Thema Wasserverschmutzung mit einer Spieldauer von 2 : 17 Minuten herstellen lassen (vgl. die als Anlage zur Klageschrift zu den Akten gereichte DVD). Die ausschließlichen, zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkten Nutzungsrechte an dem Film, dem die Parteien übereinstimmend Werkqualität i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG beimessen, wurden auf die Klägerin übertragen. Das Video ist auf der Internetplattform "YouTube" unter dem Titel "Die erschreckende Wahrheit über die weltweite Wassersituation" zugänglich. Es wurde am 10.2.2010 - nach Angaben der Klägerin ohne ihr Zutun - unter dem Usernamen. Onlinepixel" eingestellt, hinter dem ausweislich Anlagen B 1, B 2 der Produzent A. W., P., steht.

Die Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter der mit der Klägerin im Wettbewerb stehenden Fa. P. AG tätig. Sie unterhalten jeweils eine Internetseite (vgl. Anlagen K 1, K 2), auf der sie die Produkte der Fa. P. bewerben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie Besuchern ihrer Internetseiten, das streitgegenständliche Video im Wege des sog. Framings abzurufen: Bei einem "Click" auf das unter der Rubrik "Anhang" (Bekl. zu 1, vgl. Internetausdruck vom 01.6.2010 gemäß Anlage K 1) bzw. unter der Rubrik "My Videos v. Meine Videos" (Bekl. zu 2, vgl. Anlage K 3 ebenfalls vom 01.6.2010) angeführte Video wurde der Film in der Weise wiedergegeben, dass er vom Server des Portals "YouTube" abgerufen und von dort in einem auf der jeweiligen Website der Beklagten erscheinenden Rahmen (sog. "Frame") abgespielt wurde, wobei während der Wiedergabe das Logo von "You Tube" unten rechts in den Bildausschnitt eingeblendet war (Anlagen K 3, K 4). Die Klägerin hat die Beklagten deswegen vorprozessual unter dem 02.6.2010 (Anlagen K 5, K 6) abgemahnt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Verwendung des Films auf den geschäftlich genutzten Internetseiten der Beklagten greife in ihr Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG ein. Die Beklagten hätten sich das Video durch ihr Vorgehen zu Eigen gemacht. Ihr stehe daher nach § 97 UrhG ein Schadenersatzanspruch in Form einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von jeweils mindestens EUR 1.000,00 zu: Da sie, die Klägerin, das Video nach wie vor selbst für eigene Werbezwecke verwende, müsse die Höhe des Schadenersatzanspruchs auch der Gefahr einer Marktverwirrung Rechnung tragen.

Nach übereinstimmender Erledigterklärung des zunächst angekündigten Unterlassungsantrags in der mündlichen Verhandlung vor dem LG hat die Klägerin erstinstanzlich noch beantragt, die Beklagten zu verurteilen,

1. an die Klägerin Schadenersatz in einer vom Gericht gemäß § 287 ZPO zu bestimmenden Höhe, mindestens jeweils EUR 1.000,00 zu zahlen

2. die Klägerin gegenüber Herrn Rechtsanwalt M. P. von der Zahlung der Gebühren für die außergerichtliche Vertretung in Höhe von jeweils EUR 555,60 freizustellen.

Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die ursprüngliche Verfügbarmachung des Videos auf der Internetplattform "YouTube" sei jedenfalls mit Zustimmung des Produzenten erfolgt und daher auch von der Klägerin zu verantworten. Rechtlic...

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