Leitsatz (amtlich)

Erreicht in einem Squeeze-out-Verfahren der Hauptaktionär die 95 %-Schwelle gem. § 327a Abs. 1 AktG durch eine Aktienübertragung aufgrund eines Wertpapierdarlehens, nach dessen Ausgestaltung der Darlehensgeber die wesentlichen wirtschaftlichen Rechte aus den Aktien behält, so können das Ausschlussverlangen des Hauptaktionärs und der hierauf beruhende Beschluss der Hauptversammlung rechtsmissbräuchlich sein.

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 01.02.2006; Aktenzeichen 1 HKO 766/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.03.2009; Aktenzeichen II ZR 302/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG Landshut vom 1.2.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebeninterventionen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gläubiger jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.A. Die Kläger machen mit ihrer Klagen die Nichtigkeit eines in der Hauptversammlung der Beklagten vom 25.2.2005 unter TOP 3 gefassten Beschlusses geltend, mit dem die Stückaktien der Minderheitsaktionäre der Beklagten im Wege des Squeeze-Out gegen Gewährung einer Barabfindung auf den Hauptaktionär, die Lin. Beteiligungs-GmbH, übertragen wurden. Ein Teil der Kläger ficht des Weiteren die unter TOP 2 beschlossene Feststellung des Jahresabschlusses der Beklagten zum 31.12.2004 an.

Die Beklagte ist die Obergesellschaft der Lin.-Gruppe, deren unternehmerischer Kernbereich im Hochbau, der Isoliertechnik und im Umweltschutz liegt. Sie hält eine 60 %-ige Beteiligung an der Lin. AG und eine 100 %-ige Beteiligung an der Lin. Isoliertechnik und Industrieservice GmbH.

Persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten sind der Gründer des Unternehmens, Herr J. Lin., sowie die J. Lin. GmbH. Letztere ist nach § 12 der Satzung (Anlage B11) von der Geschäftsführung der Beklagten ausgeschlossen, so lange eine natürliche Person geschäftsführungsbefugter persönlich haftender Gesellschafter ist.

J. Lin. ist mit einem Stammkapitalanteil von 99,996 % an der J. Lin. GmbH beteiligt und deren Geschäftsführer.

Nach Rückerwerb und Einziehung von 432.000 Stückaktien im Jahr 2002 sind 3.888.000 Stückaktien der Beklagten im Umlauf. Nach einer gleichfalls im Jahr 2002 durchgeführten Kapitalherabsetzung beträgt das Grundkapital der Beklagten 11.059.200 EUR. Ursprünglich hielten die Lin. Beteiligungs-GmbH rund 62,59 %, die J. Lin. GmbH rund 31,33 % und Herr J. Lin. rund 1,19 % des Kommanditaktienkapitals der Beklagten. Gesellschafter der Lin. Beteiligungs-GmbH sind die Töchter und die Ehefrau des Herrn J. Lin., der einer der Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist.

Am 6.10.2004 beantragte die Lin. Beteiligungs-GmbH beim LG München I, einen Squeeze-Out-Prüfer zu bestellen und schlug die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KP. vor, die mit Beschluss vom 25.10.2004 (Anlage B27) auch bestellt wurde.

Sowohl Herr J. Lin. als auch die J. Lin. GmbH schlossen am 18.10.2004 mit der Lin. Beteiligungs-GmbH Wertpapierdarlehensverträge (Anlagen B4 und B5). In diesen übertragen Herr J. Lin. und die J. Lin. GmbH 49.999 Stückaktien bzw. 1.718.125 Stückaktien an die Lindner Beteiligungs-GmbH als Darlehen gegen ein jährliches Entgelt von 5.000 EUR bzw. 50.000 EUR. Nach § 4 der Verträge steht der Gegenwert sämtlicher während der Laufzeit des Darlehens auf die Darlehenspapiere geleisteten Barausschüttungen den Darlehensgebern zu. Auf die Darlehenspapiere entfallende Bezugsrechte hat die Darlehensnehmerin gem. § 4 Abs. 2 der Verträge den Darlehensgebern zur Verfügung zu stellen.

Gemäß § 5 der Verträge laufen die Darlehensverträge auf unbestimmte Zeit und sind mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende, erstmalig zum 30.6.2007, kündbar. Die Darlehensnehmerin ist verpflichtet, bei Beendigung des Vertrages am Fälligkeitstag Darlehenspapiere derselben Wertpapiergattung und Anzahl zurückzuliefern bzw. entsprechende Aktienurkunden zu übergeben.

Unter dem 20.10.2004 wurde die Mitteilung über die Erhöhung des Aktienanteils der Lin. Beteiligungs-GmbH veröffentlicht.

Die Lin. Beteiligungs-GmbH verfügte durch die aufgrund der Wertpapierdarlehensverträge vorgenommenen Aktienübertragungen über einen Stimmrechtsanteil von 95,21 %.

Mit Schreiben vom 19.10.2004 (Anlage B29) an den persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten forderte die Lin. Beteiligungs-GmbH die Durchführung eines Squeeze-Out-Verfahrens, in dessen Rahmen die Hauptversammlung die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung auf sie beschließen solle.

Unter Beratung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft SU. & Partner OHG setzte die Lin. Beteiligungs-GmbH eine Barabfindung von 28,52 EUR je Stückakte fest (Anlage B6).

Die D. Bank AG stellte der Hauptaktionärin am 23....

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