Leitsatz (amtlich)

Die Nachtragsliquidation einer kapitalistisch strukturierten GmbH & Co. KG erfolgt nicht durch den bisherigen, sondern durch einen analog § 273 Abs. 4 AktG gerichtlich neu zu bestellenden Abwickler; Ersterer kann eine in die Nachtragsliquidation fallende Abwicklungsmaßnahme auch nicht im Wege der actio pro socio oder einer sonstigen Prozessführungsbefugnis geltend machen.

 

Normenkette

HGB § 161 Abs. 1; AktG § 273 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 12 HKO 136/99)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des LG München I vom 18.6.2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin zu 2) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin zu 2) kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 6.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagten wird gestattet, die Sicherheit durch eine schriftliche, unbedingte, unwiderrufliche, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft der Kreissparkasse X. zu erbringen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen; der Wert der Beschwer der Klägerinnen übersteigt 20.000 Euro.

 

Tatbestand

Die Klägerin zu 2), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, macht als alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin zu 1), einer bereits 1986 aufgelösten und nach Anmeldung der Beendigung der Liquidation mit Schreiben vom 12.10.1987 im Jahre 1988 im Handelsregister gelöschten Publikums-Kommanditgesellschaft, in deren Namen sowie in eigenem Namen eine ihrer Meinung nach von der Beklagten übernommene Verbindlichkeit des Dr. D. auf Leistung eines Teilbetrages von 100.000 DM auf dessen Kommanditeinlage in die Klägerin zu 1) i.H.v. 500.000 DM geltend, hilfsweise begehrt die Klägerin zu 2) die Feststellungen, dass die Klageforderung zu Recht bestehe und im Rahmen einer Abfindungsrechnung zu berücksichtigen sei.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Abwicklung der Klägerin zu 1) noch nicht beendet sei. Nach wie vor stünden erhebliche Beträge auf Kommanditeinlagen aus. Diese seien zur Abdeckung erheblicher Verbindlichkeiten erforderlich. Die Abtretung aller Aktiven und Passiven der Klägerin zu 1) an die M. Abwicklungstreuhand GmbH zum 31.10.1986 sei mangels Zustimmung aller Gesellschafter unwirksam. Sie, die Klägerin zu 2), sei daher als nach § 22 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin zu 1) berufene Liquidatorin befugt, die Nachtragsliquidation der Klägerin zu 1) zu be- und offene Einlagen einzutreiben. Die Klageforderung könne sie zudem in eigenem Namen geltend machen, da sie aus dem Bruch des Gesellschaftsvertrages durch den Mitgesellschafter W. und die Beklagte als frühere Gesellschaftsgläubigerin und heutige Mitgesellschafterin resultiere.

Die Beklagte hält die Klägerin zu 1) schon für nicht wirksam vertreten, da für sie kein Nachtragsliquidator bestellt worden sei. So habe das BayObLG bereits mit Beschluss vom 10.11.1992 die Ernennung der Klägerin zu 2) als Nachtragsliquidatorin der Klägerin zu 1) abgelehnt und in analoger Anwendung des § 273 Abs. 4 AktG ausgeführt, dass das Amt der Klägerin zu 2) für eine etwaige Nachtragsliquidation nicht wiederauflebe. Entsprechend habe auch der erkennende Senat am 12.4.2000 hinsichtlich der Schwestergesellschaft der Klägerin zu 1) entschieden. Die Klägerin zu 2) sei nicht prozessführungsbefugt, da nur der Liquidator rückständige Einlagen geltend machen könne. Auch habe sie, die Beklagte, nicht die Einlage des Dr. D. oder die Verpflichtung zu deren Zahlung übernommen. Weiter beruft sich die Beklagte auf Erfüllung und Verjährung nach § 159 HGB.

Das LG München I hat die Klage am 18.6.2001 als unzulässig abgewiesen und sich dabei dem Standpunkt der oben genannten Entscheidungen des BayObLG und des erkennenden Senats angeschlossen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.

Im Übrigen wird auf das Ersturteil, die im Berufungsrechtszug zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 23.1.2002 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Das LG hat zu Recht die Klage hinsichtlich der Klägerin zu 1) mangels Prozessfähigkeit und hinsichtlich der Klägerin zu 2) mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen.

I. Die Berufung der Klägerinnen ist zulässig; dies gilt insbesondere auch in Richtung der Klägerin zu 1).

Auch wenn das Erstgericht die Fähigkeit der Klägerin zu 1) verneint hat, Prozesshandlungen selbst oder durch selbst bestellte Vertreter wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen, war die Klägerin zu 1) für das Berufungsverfahren als prozessfähig zu behandeln. Nach st. Rspr. des BGH (vgl. zuletzt BGH v. 23.2.1990 – V ZR 188/88, BGHZ 110, 294 [295] = MDR 1990, 610; v. 13.7.1993 – III ZB 17/93, MDR 1994, 511 = NJW 1993, 2943 [2944]; v. 9.1.1996 – VI ZR 94/95, MDR 1996, 410 = NJW 1996, 1059 f.) ist das Rechtsmittel der Partei, die sich dagegen wendet, dass sie in der Vorinstanz zu Unrecht, sei es als prozes...

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