Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Teileigentümergemeinschaft nach dem WEG mit dem Ziel der langfristigen Verpachtung des Gebäudes an einen Hotelbetreiber und der Erzielung von Einkünften für die Eigentümer gegründet, so entsteht auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zugleich eine BGB-Gesellschaft (Verpächtergesellschaft).

2. Der durch schlüssiges Verhalten zustande gekommene Vertrag einer solchen Verpächtergesellschaft, die aufgrund der Anzahl der Gesellschafter eine sog. Publikumsgesellschaft darstellt, enthält die Vereinbarung, dass Beschlüsse der Gesellschaft mit Mehrheit gefasst werden.

3. Werden über einen längeren Zeitraum hinweg Beschlüsse einer solchen Verpächtergesellschaft mit Mehrheit gefasst, so kann darin die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips auch für die Zukunft liegen.

 

Tatbestand

Zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und etwa 250 weiteren Eigentümern bestand seit dem Jahr 1988 eine Teileigentümergemeinschaft an einem Gebäude, bestehend aus etwa 250 Wohneinheiten sowie Gemeinschaftsflächen (Schwimmbad, Restaurant etc.). Das Objekt wurde als Hotel bzw. Boardinghaus geplant und ausgeführt, zugunsten von Nachbargrundstücken sind Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen, die eine Wohnnutzung ausschließen. Das gesamte Gebäude wurde, wie von Anfang an geplant, an einen Hotelbetreiber verpachtet, die Pachteinnahmen wurden an die Teileigentümer entsprechend ihren Teileigentumsanteilen ausbezahlt. Schriftliche Vereinbarungen der Teileigentümer über die Regelung von Pachtangelegenheiten sind weder im notariellen Kaufvertrag über das Grundstück noch zu einem späteren Zeitpunkt getroffen worden. Solche Angelegenheiten wurden, sofern sie anfielen, auf den Teileigentümerversammlungen behandelt, die entsprechenden Beschlüsse wurden mit Mehrheit der anwesenden Eigentumsanteile gefasst. Die Gemeinschaftsflächen waren in der Teileigentumseinheit Nr. 345 zusammengefasst. Diese Einheit war in 344 Bruchteile aufgeteilt, von denen einige auch von Personen gehalten wurden, die nicht auch Sondereigentum an einer abgeschlossenen Einheit erworben hatten. Um die Beschlussfähigkeit zukünftiger Teileigentümerversammlungen zu gewährleisten, wurde im Jahr 1992 (mehrheitlich) beschlossen, für die Teileigentumseinheit Nr. 345, die ca. 10,6 % der Eigentumsanteile ausmacht, einen Bevollmächtigten für die Teilnahme an Teileigentümerversammlungen zu bestimmen, mit der Weisung, sich bei Abstimmungen zu enthalten.

Im Jahr 2006 wurde ein neuer Pachtvertrag abgeschlossen. Dieser wurde auf Verpächterseite vom Vorsitzenden des Eigentümerbeirats unterzeichnet, der zuvor in einer Teileigentümerversammlung, in welcher nicht alle Eigentumsanteile vertreten waren, bevollmächtigt worden war.

Seit dem Jahr 2008 werden getrennte Eigentümerversammlungen und Verpächterversammlungen abgehalten.

Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Pächters beschloss die Verpächterversammlung im Jahr 2010 mehrheitlich, den Pachtzins in nicht unerheblichem Umfang zu stunden.

Die Klägerin nimmt die Beklagte als "Gesellschaft des bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung Verpächtergemeinschaft '(Bezeichnung des Objekts)'", vertreten durch die Verwalterin der Eigentümergemeinschaft, auf Feststellung in Anspruch, dass die Beschlüsse zur Stundung der Pacht unwirksam sind.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Mangels schriftlichen Gesellschaftsvertrages gelte das Erfordernis der Einstimmigkeit, § 709 BGB. Der mutmaßliche Parteiwille sei nicht ersichtlich, so dass auch eine ergänzende Vertragsauslegung scheitere.

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

(...)

II. Die streitgegenständlichen Beschlüsse der Beklagten vom 17.4.2010 sind nicht unwirksam.

Der Senat ist zunächst mit dem LG und der Klägerin der Auffassung, dass die Mitglieder der Teileigentümergemeinschaft durch Erwerb eines Miteigentumsanteils in dem Wissen, dass das streitgegenständliche Anwesen langfristig und gewinnbringend an einen Hotelbetreiber verpachtet werden soll und im Hinblick darauf entsprechende bauliche Gegebenheiten geschaffen wurden, zugleich einer BGB-Gesellschaft mit dem Zweck der Verpachtung des Objekts beigetreten sind bzw. dass eine solche BGB-Gesellschaft zeitgleich mit dem Entstehen der Teileigentümergemeinschaft entstanden ist.

1. Dies folgt daraus, dass die zwischen den Teileigentümern - konkludent - getroffenen Vereinbarungen in ihren rechtlichen Folgen bei weitem über das hinausgehen, was das Gesetz in § 15 Abs. 1, Abs. 2 WEG als zulässige Nutzungsregelung vorsieht. Denn die zwischen den Teileigentümern getroffene Vereinbarung beschränkt sich nicht lediglich auf die Regelung des Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums und des Sondereigentums sämtlicher Miteigentümer, sondern sie bindet die Miteigentümer für die Zukunft in wirtschaftlicher Art und Weise über das in einer Wohnungseigentümergemeinschaft liegende Maß hinaus aneinander durch die Verpachtung des Anwesens an einen Hotelbetreiber. Dieser gemeinsam verfolgte wirtschaftliche Zweck geht über eine bloße Teileigentümerg...

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