Leitsatz

  1. Neben einer großen Teileigentümergemeinschaft mit dem Ziel langfristiger, gewinnbringender Verpachtung des Gebäudes an einen Hotelbetreiber kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zugleich eine BGB-Gesellschaft (Verpächtergesellschaft) entstehen
  2. Ein durch schlüssiges Verhalten zustande gekommener Vertrag mit einer solchen Verpächtergesellschaft (als Publikumsgesellschaft) kann in ergänzender Vertragsauslegung auch die Vereinbarung enthalten, dass Beschlüsse der Gesellschaft mit Mehrheit zu fassen sind
  3. Werden über längeren Zeitraum in der Verpächtergesellschaft Mehrheitsbeschlüsse gefasst, kann darin auch die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips für die Zukunft liegen
 

Normenkette

§§ 157, 242, 705 ff. BGB, insb. § 709 Abs. 1, 2 BGB

 

Kommentar

  1. Bereits 1988 wurde eine Teileigentümergemeinschaft am Gebäude mit etwa 250 Wohneinheiten und gemeinschaftlichen Einrichtungen auf Gemeinschaftsflächen (Schwimmbad, Restaurant usw.) begründet. Geplant und ausgeführt wurde das Objekt als Hotel bzw. Boardinghaus unter Ausschluss separater Wohnnutzung der Teileigentümer. Von Anfang an wurde die Anlage – wie geplant – an einen Hotelbetreiber verpachtet. Pachteinnahmen wurden an die Teileigentümer entsprechend ihrer Anteile ausbezahlt. Weitergehende schriftliche Vereinbarungen der Teileigentümer über Regelungen in Pachtangelegenheiten wurden nicht getroffen. Vielmehr wurden Pachtthemen in den Teileigentümerversammlungen behandelt und stets mehrheitliche Beschlüsse der anwesenden Eigentümer gefasst.

    Die Gemeinschaftsflächen waren in einer Teileigentumseinheit zusammengefasst, die in 344 Bruchteile aufgeteilt wurde. Bruchteilsberechtigt waren auch einige Personen, die kein separates Sondereigentum erworben hatten. Für diese Teileigentumseinheit wurde nachfolgend ein Bevollmächtigter über Mehrheitsbeschluss bestellt, allerdings mit der Weisung, sich bei Abstimmungen zu enthalten.

    In einer Eigentümerversammlung wurde durch Beschluss der Vorsitzende des Eigentümerbeirats bevollmächtigt, einen neuen Pachtvertrag abzuschließen. Seit 2008 wurden auch getrennte Eigentümerversammlungen und Verpächterversammlungen abgehalten. 2010 wurde mehrheitlich beschlossen, aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Pächters, diesem den Pachtzins in nicht unerheblichem Umfang zu stunden. Ein klagender Miteigentümer hat die Beklagte als "Gesellschaft des bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung Verpächtergemeinschaft", vertreten durch die Verwaltung der Eigentümergemeinschaft auf Feststellung in Anspruch genommen, dass die Beschlüsse zur Stundung der Pacht unwirksam sind.

    Der Klage hat das Landgericht unter Hinweis auf § 709 BGB (Erfordernis der Einstimmigkeit) stattgegeben und auch ergänzende Vertragsauslegung verneint. Die Berufung der beklagten Gesellschaft hatte Erfolg.

  2. Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die Teileigentümergemeinschaft von Anfang an mit dem Ziel aller Eigentümer einer gewinnbringenden Verpachtung an einen Hotelbetreiber und auch im Hinblick auf die baulichen Gegebenheiten zugleich einer BGB-Gesellschaft mit dem Zweck der Verpachtung des Objekts beigetreten bzw. dass eine solche BGB-Gesellschaft zeitgleich mit dem Entstehen der Teileigentümergemeinschaft entstanden ist. Die getroffenen Vereinbarungen gehen hier bei weitem darüber hinaus, was das Gesetz in § 15 Abs. 1 und 2 WEG als zulässige Nutzungsregelung vorsieht. Vielmehr ist von einer Bindung aller Miteigentümer für die Zukunft in wirtschaftlicher Art und Weise über das in einer Wohnungseigentümergemeinschaft liegende Maß hinaus auszugehen.

    Ein solcher BGB-Gesellschaftsvertrag kann ohne bestehende Formvorschriften auch konkludent abgeschlossen werden. Ein Erklärungsbewusstsein der Eigentümer ist kein notwendiger Bestandteil der Willenserklärungen. Ausreichend ist, dass das Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und der andere Vertragsteil eine solche Erklärung auch tatsächlich so verstanden hat.

  3. Innerhalb einer solchen BGB-Gesellschaft (Verpächtergesellschaft) gilt von Ausnahmen abgesehen bei Beschlüssen das Mehrheitsprinzip. Dies folgt allerdings nicht aus § 15 Abs. 2 WEG; von einer entsprechenden Regelung ist jedoch bereits von Anfang an als Inhalt des Gesellschaftsvertrags auszugehen. Insoweit war es auch möglich, die gesetzliche Regelung des § 709 Abs. 1 und Abs. 2 BGB abzubedingen. Dies gilt selbst bei Fehlen eines schriftlichen Gesellschaftsvertrags. Auch hier ist auf den Vertragsinhalt abzustellen, wie er sich durch konkludente Erklärungen der Gesellschafter aufgrund der gesamten Umstände ergibt.

    Zweck der Verpächtergesellschaft war und ist es, bei allen über die Teileigentümergemeinschaft hinausreichenden Angelegenheiten ohne zu starke Einschränkung Entscheidungen treffen zu können. Auch die Gesellschafter gingen stets davon aus, dass in der Gesellschaft genauso Mehrheitsbeschlüsse gefasst werden könnten wie in einer Teileigentümergemeinschaft; andernfalls hätten sie abweichende Regelungen getroffen.

    Auch in der Vergangenheit wurde insoweit st...

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