Entscheidungsstichwort (Thema)

Planungsverschulden trotz Berücksichtigung gültiger DIN

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu Chloridschäden an einer 1996 fertig gestellten Tiefgarage als Folge mangelhafter Planung des Architekten und des Statikers.

2. Der Planungsmangel erfordert kein schuldhaftes Handeln des Planers, wohl aber der Anspruch auf Ersatz für die Schäden am Bauwerk.

3. Die Gesamtschuldnersituation entsteht mit der baulichen Verwirklichung der mangelhaften Planung.

4. Zu Fragen der Verjährung des Ausgleichsanspruchs in Überleitungsfällen.

 

Normenkette

BGB § 426 Abs. 1; BGB a.F. § 635; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 12.03.2010; Aktenzeichen 24 O 18553/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 12.3.2010 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG München I zurückverwiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 88.347,10 EUR.

 

Gründe

I. Der klagende Architekt begehrt vom beklagten Statiker Gesamtschuldnerausgleich. Wegen Schäden an der Tiefgarage hatte der Bauherr den Kläger in Anspruch genommen und sich mit diesem außergerichtlich bei zu erwartenden Sanierungskosten von über 1 Mio. EUR am 27.03./2.4.2009 vergleichsweise auf eine Zahlung i.H.v. 260.000 EUR geeinigt (Anlage K 7). Ein Drittel dieser Summe begehrt der Kläger mit der vorliegenden Klage.

Den Vergleichsbetrag hat der Kläger durch Überweisung von 160.000 EUR und durch Aufrechnung von 100.000 EUR an den Bauherrn geleistet (Anlage K 9 zum Schriftsatz vom 5.11.2010).

Das Bauwerk wurde nach Fertigstellung am 26.3.1996 dem Bauherrn übergeben. Am 28.9.2000 kam es wegen eines Wassereintritts in der Tiefgarage zu einer Ortsbegehung des Klägers mit Vertretern des Bauherrn. Mit Schreiben vom 8.12.2004 nahm der Bauherr den Kläger wegen einer falschen Planung der Abdichtung gegen Chlorideintrag in Anspruch (Anlage B 2) und stellte am 25.7.2005 Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens (LG München I, 24 OH 14564/05). Mit Schriftsatz vom 30.12.2005 (bei Gericht eingegangen am gleichen Tag) verkündete der Kläger als Antragsgegner des Beweisverfahrens dem Beklagten den Streit. Diesem wurde der Schriftsatz am 10.1.2006 zugestellt.

Durch Urteil vom 12.3.2010 hat das LG München I den Beklagten zur Zahlung von 88.347,10 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Beide Parteien hätten ihre Planungspflichten als Architekt bzw. Statiker ggü. dem Bauherrn verletzt.

Mit der Berufung begehrt der Beklagte die vollständige Klageabweisung, hilfsweise die Zurückverweisung.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihren Vortrag erster Instanz.

Auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, das angefochtene Urteil und das Protokoll vom 26.10.2010 samt Senatshinweisen sowie die Verfügung vom 27.10.2010 wird Bezug genommen.

II. Auf die zulässige Berufung war das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

Auf das vorliegende Schuldverhältnis sind die vor dem 1.1.2002 geltenden Gesetze anzuwenden (Art. 229 § 5 EGBGB).

1. Das Gesamtschuldverhältnis zwischen den Parteien kann auf Schadensersatzansprüchen des Bauherrn gegen die Parteien nach § 635 BGB a.F. beruhen.

a) Das vom Architekten oder Statiker geschuldete Werk besteht in einer Planung, die fehlerfrei sein muss. Fehlerfrei ist sie dann, wenn sie geeignet ist, ein fehlerfreies Bauwerk entstehen zu lassen. Ein fehlerfreies Bauwerk entsteht nicht, wenn die Tiefgarage über kein Abdichtungssystem verfügt, das dem Angriff durch eingeschlepptes Wasser mit Chloridbelastung Stand hält. Die zu einem solchen Bauschaden führende Planung ist mangelhaft. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf ein Verschulden des Planers an. Vielmehr schuldet der Planer erfolgsbezogen ein fehlerfreies Werk, das heißt eine fehlerfreie Planung. In Folge dessen ist sein Werk mangelhaft, selbst wenn seine Planung im Zeitpunkt ihrer Erstellung dem Stand der Technik oder der üblichen Bauweise entsprochen haben sollte und er darauf vertraut haben sollte (BGH BauR 2006, 375).

Der (den Mangel erkennende) Bauherr könnte nach § 633 BGB a.F. Mangelbeseitigung durch fehlerfreie Planung verlangen. Hat sich der Mangel der Planung jedoch schon im Bauwerk verwirklicht, ist die Mangelbeseitigung nicht mehr möglich. Dann kann der Bauherr ohne weiteres Schadensersatz nach § 635 BGB a.F. verlangen (Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl. 2002, § 633 Rz. 7), wenn die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Anspruchsvoraussetzung ist das Vertretenmüssen des Planers (§ 276 BGB). In diesem Zusammenhang spielen der Stand der Technik und die übliche Bauweise eine wesentliche Rolle. Denn wenn der Planer in sorgfältiger Weise alle gebotenen Erkenntnisquellen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Planung berücksichtigt, kann seine fehlerhafte Planung schuldlos ...

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