Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 15.12.2015; Aktenzeichen 4 O 23828/14)

 

Tenor

I. Auf die Berufung wird das Grundurteil des LG München I vom 15.12.2015 (Az. 4 O 23828/14) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits sowie die Hälfte der Kosten der Streithelferin des Beklagten.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des danach vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der jeweilige Gläubiger Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, sie nach Beendigung des Mandats nicht auf die Frist zur Beantragung von Leitungen der Unfallversicherung bei der ... Versicherung wegen des Vorfalls vom 01.08.2010 hingewiesen zu haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Grundurteil vom 15.12.2015 nach § 540 ZPO Bezug genommen. Darin stellte das LG München I den Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach fest. Es hätte zum Gegenstand der konkreten anwaltlichen Vertretung und Beratung gehört, die Klägerin auf die wichtige Ausschlussfrist und ihre Bedeutung hinzuweisen. Solange das Mandat lief, hätte der Beklagte diese Fristenüberwachung übernommen. Mit dem Ende des Mandats hätte er sicherstellen müssen, dass die Klägerin diese Frist nunmehr selbst überwachen konnte. Dies habe er versäumt. Feststellungen zu einem versicherungsvertraglichen Anspruch der Klägerin gegen ihren Versicherer wurden vom LG nicht getroffen.

Der Beklagte wendet sich gegen dieses Urteil insbesondere, weil ihm keine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Mit Verfügung vom 03.05.2016 (Seite 6 = Bl. 127 d.A.) wies der Senat darauf hin, dass die Voraussetzungen für ein Grundurteil möglicherweise nicht vorliegen.

Der Beklagte und seine Streithelferin beantragen zuletzt, das Urteil des LG München I, Az. 4 0 23828/14, vom 15.12.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Senat hat durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (Bl. 181 d.A.) und die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen (Protokoll vom 17.05.2017 (Bl. 244 d.A.) Beweis darüber erhoben, ob der Klägerin wegen des Geschehens am 01.08.2010 ein unfallbedingter Dauerschaden mit Invalidität entstanden ist (Beweisbeschluss vom 05.10.2016, Bl. 165 d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 03.03.2016 (Bl. 94 d.A.), 05.07.2016 (Bl. 147 d.A.) und vom 06.09.2016 (Bl. 160 d.A.) sowie auf die Schriftsätze der Klägerin vom 16.06.2016 (Bl. 137 d.A.) und vom 17.03.2017 (Bl. 232 d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Streithelferin vom 19.08.2016 (Bl. 158 d.A.) Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung führt zur Abweisung der Klage.

Es kann dahinstehen, ob den Beklagten nach der Kündigung des Mandats im Mai 2011 eine Hinweispflicht gegenüber der Klägerin auf die am 01.11.2011 ablaufende (Ausschluss-) Frist zur Geltendmachung ihrer Ansprüche aus der Unfallversicherung getroffen hat, da ein dadurch verursachten (Vermögens-)Schaden der Klägerin nicht festgestellt werden kann. Die Klage war daher abzuweisen,

1. Das Grundurteil des LG München I vom 15.12.2015 erging verfahrensfehlerhaft, da es keine tatsächlichen Feststellungen dazu traf, ob der Klägerin durch die (hier unterstellte) Pflichtverletzung des Beklagten ein Schaden entstanden war oder dieser jedenfalls hinreichend wahrscheinlich ist.

Zum Klagegrund beim Anwaltsregress gehört auch, ob der durchzusetzende Anspruch des Mandanten (hier der Anspruch auf die Versicherungsleistung) überhaupt bestand (BGH, Urt. vom 17.09.2015, IX ZR 263/13). Diese Voraussetzung des Grundurteils ist auch ohne ausdrückliche Berufungsrüge prüfen (ZöllerlVolikommer, 31. Aufl., § 303 Rdnr. 17 und 23). Der Schaden der Klägerin liegt im Verlust von Versicherungsleistungen aus dem Unfallversicherungsvertrag mit der ... Es steht zwar aufgrund der Feststellungen des EU noch hinreichend fest, dass ohne die Pflichtverletzung des Beklagten die Ausschlussfrist erkannt und mit einem eingeholten Attest eingehalten worden wäre. Der hier geltend gemachte Schaden der Klägerin liegt aber im Verlust des Anspruchs aus der Unfallversicherung, der den (bedingungsgemäßen) Eintritt der Invalidität voraussetzt. Dazu hatte das LG jedoch keine Feststellungen getroffen.

2. Die Klägerin hat keinen Vermögensschaden erlitten, da infolge des Geschehens vom 01.08.2010 kein unfallbedingter Dauerschaden mit der Folge der Invalidität im Sinne der Bedingungen der Unfallversicherung festgestellt werden kann (§ 287 ZPO); die Versäumung der Frist hat damit keinen Schaden ausgelöst.

a) Der von der Klägerin gegenüber dem Beklagten geltend gemachte Vermögenschaden liegt im Verlust ihres versicherungsvertraglichen Anspruchs gegen den Unfallversicherer. Diesen Schaden muss die Klägerin im Anwaltsregress mit dem Beweismaß des § 287 ZPO nachw...

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