Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Haftungsverteilung bei einer Kollision zwischen einem Kfz und dem einen Fußgängerüberweg überquerenden Fußgänger

 

Normenkette

BGB §§ 249, 254, 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1; StVG § 9; StVO § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 S. 2; StVO § Abs. 3; StVO § 25 Abs. 3 S. 1, § 26 Abs. 1, § 41 Abs. 1; StVO Anlage 2 Zeichen 293

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 19.08.2014; Aktenzeichen VI ZR 308/13)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 21.02.2013 wird das Schlussurteil des LG Ingolstadt vom 30.01.2013, Az.: 33 O 623/11, abgeändert und wie folgt neugefasst:

I. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger samtverbindlich 1.512,33 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.02.2011 sowie nebst weiteren Zinsen aus 278,95 EUR für die Zeit vom 15.02.2011 bis zum 12.08.2016 zu bezahlen.

II. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger samtverbindlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.02.2011 zu bezahlen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten unter Einbeziehung des Teilanerkenntnisurteils vom 22.06.2011 samtverbindlich verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger aus dem Unfall vom 20.01.2010 auf der I.-str. 7 in M. entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden, allerdings hinsichtlich materieller Schäden nur zu 75 % und bezüglich immaterieller Schäden nur unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils des Klägers von 25 %.

IV. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger samtverbindlich vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 617,61 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.04.2011 zu bezahlen. Der Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, Zinsen aus 617,61 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den 28.04.2011 zu bezahlen.

V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

VI. Von den Kosten des Verfahrens (erster Instanz) tragen der Kläger 38 % und die Beklagten samtverbindlich 62 %.

2. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

 

Entscheidungsgründe

I. B. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung (des Klägers) hat in der Sache teilweise (etwa zur Hälfte) Erfolg.

1.) Zur Haftungsverteilung:

Entgegen dem Ersturteil (Haftungsverteilung von 50/50), aber auch entgegen den Auffassungen des Klägers auf der einen Seite (Haftungsverteilung von 0/100) und der Beklagten auf der anderen (Haftungsverteilung von 75/25), entspricht eine Haftungsverteilung von 25/75 (zulasten der Beklagten) der Sach- und Rechtslage.

a) Die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrers gegenüber Fußgängern, die die Fahrbahn queren wollen, bestimmen sich nach folgenden Grundsätzen:

  • Der Kraftfahrzeugverkehr ist gegenüber Fußgängern bevorrechtigt (§ 25 III StVO), sofern nicht, wie hier, ein Fußgängerüberweg (§§ 25 III 1; 41 I StVO, Anlage 2, Zeichen 293) vorliegt (§ 26 I StVO).
  • In jedem Fall hat der Kraftfahrer die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten, insbesondere Geschwindigkeitsvorschriften (§ 3 I 2, III StVO; vgl. OLG Düsseldorf NZV 1994, 70), das Sichtfahrgebot (§ 3 I 4 StVO; vgl. BGH NJW 1984, 50 ff. [51 unter 2c]) und das Rücksichtnahmegebot (§ 1 II StVO). In diesem Rahmen hat er den gesamten Verkehrsraum, auch bezüglich von links kommender Fußgänger, sorgfältig zu beobachten (BGH VersR 1966, 736 [für Sichtbehinderungen am eigenen Fahrzeug]; OLG Hamm NZV 2000, 371 ff. [372 unter 3a]; KG VRS 100 [2001] 269; OLG Düsseldorf NZV 2002, 90), sowie rechtzeitig und richtig auf etwaige Fehler anderer Verkehrsteilnehmer zu reagieren (OLG Hamm NZV 1993, 314 [unter I]; KG VRS 100 [2001] 269). Bei unachtsamem Verhalten eines Fußgängers bestehen Brems- und Ausweichpflicht (OLG Hamm r+s 1989, 396; OLG Koblenz NZV 2012, 177), sowie die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit herabsetzen, sobald der Fahrer sieht, dass ein Fußgänger die Straße betritt (OLG Düsseldorf VRS 56 [1979] 2). Letztere Verpflichtung besteht auch bei witterungsbedingten Sichtbeeinträchtigungen (OLG Hamm r+s 1989, 396; OLG Saarbrücken r+s 2010, 479).
  • Gegenüber Fußgängern, die aus Sicht des Kraftfahrzeugführers von links kommend eine mehrspurige Fahrbahn überqueren wollen, gelten die oben genannten Verpflichtungen im Grundsatz gleichermaßen. Darüber hinaus darf sich ein Kraftfahrer nicht ohne weiteres darauf verlass...

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