Entscheidungsstichwort (Thema)

Aktienrecht: Frist bei Kündigung eines Vorstandsdienstvertrags

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB ist nicht gewahrt, wenn zwischen Kenntniserlangung des Aufsichtsratsvorsitzenden von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen und der Einberufung des Aufsichtsrats zur Entscheidung über den Fortbestand des Vorstandsdienstvertrags ein Zeitraum von 2 ½ Monaten liegt.

 

Normenkette

AktG § 84; BGB § 626

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 13.10.2004; Aktenzeichen 15 O 23993/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG München I vom 13.10.2004 in Ziff. II. aufgehoben und in Ziff. I. dahin gehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Vorstandsdienstvertrag weder durch die mit Schreiben der Rechtsanwälte W. erklärte schriftliche Kündigung vom 17.12.2003 noch durch die schriftliche Kündigung vom 22.12.2003 vorzeitig beendet worden ist, sondern vertragsgemäß über den 17.12.2003 und den 22.12.2003 hinaus fortbesteht.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der Bestellung des Klägers als Vorstandsmitglied der Beklagten sowie um den Bestand des zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Vorstandsdienstvertrags.

Der Kläger wurde mit Wirkung zum 1.1.2003 auf Grund Aufsichtsratsbeschlusses vom 25.4.2003 zum Vorstandsmitglied bei der Beklagten bestellt. Tatsächlich begann seine Dienstzeit bereits am 1.11.2002. Grundlage seines Vorstandsdienstverhältnisses zur Beklagten war der Dienstvertrag vom 25.4.2002 (Anlage K 1). Der Kläger war nicht einzelvertretungsberechtigt. Vielmehr bestand Vertretungsberechtigung nur durch zwei Vorstandsmitglieder oder durch ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen.

Im Januar und März 2003 schloss der Kläger zwar ohne Zustimmung des Aufsichtsrats und des Gesamtvorstands, jedoch mit der Zustimmung der Geschäftsführung der herrschenden S. Holding AG mit der E., die unter Anlagen B 5 und B 6 vorgelegten Verträge.

Der Kläger schloss am 9.9.2003 für die Beklagte und die S. GmbH eine Vereinbarung mit der E. mbH (Anlage B 7). Diese Vereinbarung wurde für die Beklagte und die Firma S. lediglich vom Kläger unterzeichnet. Vor Abschluss der Vereinbarung wurde weder ein förmlicher Beschluss des Gesamtvorstands noch ein Beschluss des Aufsichtsrats durch den Kläger herbeigeführt.

Das Vorstandsmitglied der Beklagten S. gab dem Kläger am 20.8.2004 den Vertragsentwurf zurück mit der Bemerkung, hinsichtlich des Umsatzvolumens bestünden Bedenken, da der Entwurf keine Umsatzgarantie enthalte.

Am 12.12.2003 lud der damalige Aufsichtsratsvorsitzende K. die Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten zu einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 16.12.2003, 14.00 Uhr. Der Einladung war die als Anlage B 25 vorgelegte Beschlussvorlage beigefügt. In dieser Sitzung fasste der Aufsichtsrat der Beklagten den Beschluss, die Bestellung des Klägers als Vorstandsmitglied der L. AG aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung zu widerrufen, und beauftragte den Aufsichtsratsvorsitzenden K., für den Aufsichtsrat alle erforderlichen Willenserklärungen abzugeben und den Beschluss zu vollziehen. Gleiches geschah mit dem Anstellungsverhältnis mit dem Kläger. Ein identischer Beschluss wurde in der Aufsichtsratssitzung vom 22.12.2003 gefasst. Mit Schreiben vom 17.12.2003 sowie 22.12.2003 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten unter Vorlage einer Originalvollmacht ggü. dem Kläger den Widerruf der Bestellung zum Vorstand sowie die Kündigung des Dienstvertrags aus wichtigem Grund.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum unstreitigen Sachverhalt, insb. den Regelungen der Geschäftsordnung (Anlage B 4) und der Satzung (Anlage K 12), des Inhalts des Vertrages vom 9.9.2003, der Einberufungsmodalitäten und der Reisekostenabrechnungen des Klägers im Zusammenhang mit Geschäftsreisen, an denen seine Ehefrau teilnahm, wird Bezug genommen auf die S. 3 ff. der angegriffenen Entscheidung.

Der Kläger war erstinstanzlich der Auffassung, der Gesamtvorstand habe dem Abschluss der Vereinbarung vom September 2003 am 25.8.2003 zugestimmt. Den vom Vorstandsmitglied S. geäußerten Bedenken habe er fernmündlich Rechnung getragen. Der Aufsichtsratsvorsitzende K. sei über den geplanten Vertragsschluss stets vollinhaltlich und unmittelbar informiert gewesen. Auch er habe sich zustimmend geäußert. Darüber hinaus hätten ohne den Vertrag vom September 2003 der L. AG sowie der gesamten Gruppe erhebliche wirtschaftliche Verluste gedroht.

Die Erklärungen vom 17.12.2003 und vom 22.12.2003...

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