Leitsatz (amtlich)

1. Verhandeln Mietvertragsparteien über die vorzeitige einvernehmliche Aufhebung eines Mietverhältnisses über Gewerberäume und hat sich der Vermieter vertraglich bereits vor Abschluss dieser Verhandlungen zu einer Neuvermietung für Zeiträume verpflichtet, über die er erst nach Aufhebung der ursprünglichen Mietvereinbarung wieder verfügen kann, so muss er diese Tatsache seinem ursprünglichen Mieter vor dem Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mitteilen.

2. Neben dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt diese Verpflichtung vor allem auch aus der gesetzlichen Wertung des § 537 Abs. 2 BGB, der doppelte Mieteinnahmen eines Vermieters für denselben Zeitraum regelmäßig ausschließt.

3. Der ursprüngliche Mieter kann eine in Unkenntnis der Neuvermietung abgeschlossene Vereinbarung über Abstandszahlungen für eine vorzeitige Entlassung aus seinem Mietverhältnis regelmäßig wegen arglistiger Täuschung anfechten.

Ist - wie hier - eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Vermieter nachgewiesen, so muss der einer solchen Anfechtung entgegen tretende Vermieter beweisen, dass der Mieter die angegriffene Vereinbarung auch bei gehöriger Aufklärung so abgeschlossen hätte.

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Aktenzeichen 13 O 132/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 13.01.2017, Az. 13 O 132/16, abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger werden auf die Widerklage vom 10.3.2017 verurteilt, an die Beklagte 11.381,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 18.11.2016 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Kläger, die das seit 1993 teilweise, nämlich in Form eines Großteils des 1. Obergeschosses, an die Beklagte vermietete Anwesen aufgrund eines Zuschlagsbeschlusses vom 9.8.2011 im Zwangsversteigerungsverfahren erworben haben, machen nach erstinstanzlichem Abschluss des Urkundenprozesses mit Vorbehaltsurteil vom 21.10.2016 im Nachverfahren weiterhin Zahlungsansprüche gegen die Beklagte aus einem Aufhebungsvertrag vom 7.10.2015 gemäß Anlage K 5 geltend.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil vom 13.1.2017 Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren ergab sich ergänzend, dass dem Vertragsangebot der Beklagten vom 7.10.2015 gemäß Anlage K 13 ein Vorschlag der Kläger mit E-Mail vom 30.9.2015 vorausgegangen war (Anlage zum Protokoll vom 12.10.2017, zu Bl. 169/171 d.A.).

Das Landgericht Kempten hat die Klage auf Zahlung von 10.710,00 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten zunächst mit Vorbehaltsurteil vom 21.10.2016 antragsgemäß zugesprochen und danach im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit "Schlussurteil" vom 13.1.2017 das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klage aufgrund der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung vom 8.10.2015 begründet sei, weil die Beklagte sich ohne Erfolg darauf berufen habe, ihre Willenserklärung mit Schreiben vom 2.11.2015 angefochten zu haben.

Der Einwand der Anfechtung sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Gericht diesen Gesichtspunkt bereits im Vorbehaltsurteil geprüft habe und insoweit keine neuen Tatsachen vorgebracht worden seien.

Das Gericht sei im Nachverfahren gemäß § 318 ZPO an seine im Vorbehaltsurteil getroffene Entscheidung gebunden, soweit diese nicht - was hier nicht der Fall sei - auf der dem Urkundenprozess eigentümlichen Beschränkung der Beweismittel beruhe.

Weitere Einwände gegen die Klageforderung habe die Beklagte auch im Nachverfahren nicht erhoben.

Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts.

Dem Erstgericht mag zwar in Bezug auf die Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils zuzustimmen sein. Dieses sei allerdings nicht rechtskräftig geworden, sondern mit der Berufung angegriffen worden.

Die Beklagte vertrete weiterhin die Ansicht, dass die Anfechtung die Vereinbarung vom 7.10.2015 zu Fall gebracht habe und das Vorbehaltsurteil, das Basis des Schlussurteils sei, so nicht hätte ergehen dürfen.

Sie rügen - entsprechend ihrer Berufung gegen das Vorbehaltsurteil -, dass das Erstgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass eine Offenbarungspflicht der Kläger nicht bestanden habe.

Die Beklagte sei nach ihrer Kündigung mit Schreiben vom 10.4.2015 gemäß Anlage K 3 und der Mitteilung der Kläger, dass diese erst zum 31.8.2016, also 10 Monate später als dem gewünschten Zeitpunkt wirksam sei, in Vertragsverhandlungen zur vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses eingetreten.

Ausgangspunkt für die Beklagte sei dabei die Tatsache gewesen, dass sie den Klägern für die restliche Mietzeit von 10 Monaten nach dem 31.10.2015 aus dem Vertrag noch einen Betrag von 18.344,60 Euro (incl. USt) schulde.

Auf die Aufhebungsvereinbarung vom 7.10.2015 habe sich die Beklagte eingelassen, da sie eine Mietreduzierung von (jeweils netto) 9.915,60 Euro auf...

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