Leitsatz (amtlich)

Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 15 % des Pauschalpreises benachteiligt den Auftragnehmer auch dann entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, wenn der Auftraggeber eine Anzahlung in gleicher Höhe leistet, die erst zum Ende der Bauleistungen im Rahmen der Schlussrechnung verrechnet werden soll.(Rz. 25)

 

Normenkette

AGBG § 9 Abs. 1; BGB § 765

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 24.11.2010; Aktenzeichen 18 O 13336/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG München I vom 24.11.2010 - 18 O 13336/07, aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebeninterventionen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des durch den jeweils Vollstreckenden insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der vollstreckende Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.259.485,75 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht (Abtretungsvertrag vom 17.5./26.5.2000) der L. GmbH & Co. Beteiligungs. KG (im Folgenden Fa. L.), für die sie das Bauvorhaben Freizeit und Einzelhandelszentrum "..." in Berlin finanzierte, Ansprüche aus einer Ausführungsbürgschaft vom 27.6.2000 (Anlage K5, B2) geltend, die die Rechtsvorgängerin der Beklagten für die Generalunternehmerin, die Arbeitsgemeinschaft N. W. ARGE), bestehend aus den Gesellschaftern N. Ingenieurbau GmbH und W. Bau AG, gegenüber der Fa. L. übernommen hatte.

Das Bauvorhaben sollte zum Pauschalfestpreis von 42.400.000 DM errichtet werden. Im GU-Vertrag vom 28.4.2000 (Anlage K 1) war vorgesehen die Stellung einer Ausführungsbürgschaft i.H.v. 15 % des Netto-Pauschalfestpreises Zug um Zug gegen Leistung einer Anzahlung in gleicher Höhe, die erst zu Ende der Bauleistung im Rahmen der Schlussrechnung verrechnet werden sollte, und ein Sicherungseinbehalt i.H.v. 5 % jeder Rechnungssumme mit Ausnahme der Anzahlung bis zur jeweiligen Übergabe der jeweiligen Gewährleistungsbürgschaft für die teil-schlussgerechneten Leistungen. Zum Sicherheitseinbehalt, der Ausführungsbürgschaft und der Gewährleistungsbürgschaft waren in § 15 des GU-Vertrags nähere Regelungen getroffen, insbesondere die Stellung von Bürgschaften auf erstes Anfordern und - durch Verweis auf Formularmuster - der Verzicht auf Einreden gem. §§ 768, 770, 771 und das Recht aus § 776 BGB vorgesehen. Die Ausführungsbürgschaft diente nach dem Text des Bürgschaftsformulars (Anlage B2) "zur Sicherung der Ausführung der Bauleistungen gemäß dem Bauvertrag", "insbesondere zur Absicherung der Ansprüche des Auftraggebers aus eventuell verzögerter oder mangelhafter Fertigstellung und eventueller Nichtfertigstellung des Bauvorhabens ...". Ferner sicherte sie "die Ansprüche des Auftraggebers auf Rückzahlung von Abschlags- und Vorauszahlungen für etwaige nicht erbrachte Bauleistungen ...". Die Ausführungsbürgschaft sollte "nach durchgeführter mangelfreier (nach VOB) (Teil-) Abnahme gem. § 13 und nach Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft ... in Höhe der jeweiligen abgenommenen Teilauftragssumme ... zurückgegeben" werden.

Am 20.3.2002 verbürgte sich andererseits die Klägerin für Werklohnverbindlichkeiten der A. gegenüber der Fa. L. gem. § 648a BGB i.H.v. 6.434.508,97 EUR gegenüber der ARGE.

Am 6.8.2002 kündigte die Fa. L. den GU-Vertrag unter Berufung auf Leistungsverzug.

Durch am 1.5.2003 eröffnete Insolvenz der N. Ingenieurbau GmbH wurde die W. Bau AG Rechtsnachfolgern der A.. Hinsichtlich der Fa. L. wurde am 31.7.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Im Jahr 2004 erhob die W. Bau AG vor dem LG Frankfurt/O. Klage gegen den Insolvenzverwalter der Fa. L. wegen einer Schlussrechnungsforderung von 8.469.852,50 EUR aus dem gekündigten GU-Vertrag.

Hinsichtlich der W. Bau AG wurde am 1.4.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin hat im Insolvenzverfahren der W. Bau AG mit Schreiben vom 20.5.2005 Forderungen von 8.959.139,26 EUR zur Insolvenztabelle angemeldet.

Am 17.1.2006/1.3.2006 kam es zu einer Vereinbarung zwischen den Insolvenzverwaltern über das Vermögen der W. Bau AG bzw. der Fa. L. und der Klägerin (Anlage B 6). Darin verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung von 1.000.000 EUR an den Insolvenzverwalter der W. Bau AG aus der Bürgschaft nach § 648a BGB. Darüber hinaus sollten keine weiteren Ansprüche gegen die Klägerin aus der Bürgschaft geltend gemacht werden und die Klage zurückgenommen werden. Der Insolvenzverwalter der W. Bau erklärte, er werde angemeldete Forderungen von 4.593.300,11 EUR zur Insolvenztabelle anerkennen.

Das Anerkenntnis von Forderungen von 4.593.300,11 EUR zur Insolvenztabelle ist erfolgt.

Das Erstgericht hat mit Grund- und Vorbehaltsurteil vom 24.11.2010 entschiede...

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