Verfahrensgang

LG München (Urteil vom 05.03.2008; Aktenzeichen 9 O 11358/07)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG München vom 5.3.2008 - 9 O 11358/07, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht ggü. dem Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe von Krankenunterlagen ihres verstorbenen Ehemannes geltend.

Die Klägerin ist die Witwe des am 7.10.2006 verstorbenen Herrn A.B. Der Ehemann der Klägerin, der im fortgeschrittenen Stadium an Krebs erkrankt war und von der Schulmedizin mehr oder minder aufgegeben worden war, befand sich vom 30.8.2006 bis zum 15.9.2006 in der Praxis des Beklagten in Behandlung.

Nach dem Tod von Herrn B. trat zunächst gesetzliche Erbfolge ein. Die Klägerin schlug das Erbe aus.

Mit Vertrag vom 12. bzw. 14. bzw. 18.9.2007 trat die Erbengemeinschaft A.B. Ansprüche aus der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit des Herrn B. im Rahmen der ärztlichen Behandlung im Zeitraum vom 30.8.2006 bis 15.9.2006 an die Klägerin ab.

Die Klägerin verlangte letztmals mit Schreiben vom 5.6.2007 von dem Beklagten die Herausgabe leserlicher Kopien sämtlicher Krankenunterlagen.

Nachdem der Beklagte dies wie auch schon mit fünf Schreiben zuvor abgelehnt hatte, erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 19.6.2007 Klage auf Herausgabe der Krankenunterlagen bzw. leserlicher Kopien der Krankenunterlagen.

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen:

Ihr verstorbener Ehemann habe kein mutmaßliches Interesse an der Geheimhaltung seiner Behandlungsunterlagen gezeigt. Er sei schon zu Lebzeiten völlig offen mit seiner Diagnose umgegangen. Er habe bis zum Schluss ein enges Verhältnis zu seiner Familie, insbesondere zur Klägerin, gehabt. Die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen sei zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche gegen den Beklagten erforderlich.

Die Klägerin hat beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin leserliche Kopien sämtlicher Krankenunterlagen betreffend der ärztlichen Behandlung von Herrn A.B. im Zeitraum vom 30.8.2006 bis zum 15.9.2006 herauszugeben, Zug um Zug gegen Erstattung der anfallenden Kosten.

Hilfsweise:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin oder nach deren Wahl deren Prozessbevollmächtigten Einsicht in Krankenunterlagen zu gewähren, gegebenenfalls die Anfertigung von Kopien.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen:

Er sei durch die ärztliche Schweigepflicht an der Herausgabe gehindert. Herr B. habe sich vor seinem Tod von seiner Familie und insbesondere von der Klägerin distanziert, da er sich von ihr allein gelassen gefühlt habe. Die Herausgabe entspricht nicht dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen. Die Abtretung sei ebenso wie der Vortrag zu etwaigen Ansprüchen völlig pauschal.

Das LG München I gab mit Endurteil vom 5.3.2008 der Klage im Hauptantrag statt.

Das LG führte zur Begründung aus, der Anspruch des Patienten sei, da er auch eine vermögensrechtliche Komponente enthalte, auf die Erben übergegangen. Der Einsichtsanspruch sei aufgrund der Abtretungsvereinbarung auf die Klägerin übergegangen. An die Substantiierung des vermögensrechtlichen Arzthaftungsanspruches seien keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Dies gelte umso mehr, wenn die für eine Substantiierung zwingende erforderliche Einsicht in die Behandlungsunterlagen noch nicht habe erfolgen können, weil der Arzt sie verweigert habe. Die wesentliche Problematik ergebe sich in diesem Fall aus dem Rechtsinstitut der ärztlichen Schweigepflicht. Dieser Grundsatz gelte auch im Verhältnis zu nahen Angehörigen des Patienten. Ob der Klägerin Einsicht zu gewähren sei, habe sich nach den von dem BGH in dem grundlegenden Urteil (BGH NJW 1983, 26, 27) aufgestellten Grundsätzen zu richten. Lege man die vom BGH aufgestellten Maßstäbe zugrunde, so ergäbe sich im konkreten Fall ein Einsichtsrecht der Klägerin. Ein entgegenstehender Wille des Patienten sei nicht ersichtlich. Der Beklagte habe auch nicht behauptet, dass Tatsachen, die das Ansehen des Patienten gefährden könnten und die deshalb einen entgegenstehenden mutmaßlichen Willen des Patienten begründen könnten, nicht vorhanden seien. Die Kammer könne der Behauptung des Beklagten, dass der Patient sich völlig von seiner Familie entfremdet habe und deshalb das Geheimhaltungsinteresses mutmaßlich fortbestehe, nicht folgen. Auch wenn nach der Rechtsprechung ein gewisser Ermessensspielraum des Arztes bzw. des Beklagten auch unter Hinnahme einer Missbrauchsgefahr zu akzeptieren sei, sei die Kammer aufgrund des gesamten Sachvortrags und der abgewogenen Gründe jenseits eines solchen Zweifels davon überzeugt, dass ein mutmaßlicher Wille des verstorbenen Patienten der Einsicht in die Dokumentati...

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