Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung, Eintragung, Annahmeverzug, Erbschein, Zustellung, Kaufpreis, Software, betrug, Ermessen, Zustimmung, Hemmung, Klage, Zahlung, Fahrzeug, Zustellung der Klage, Ermessen des Gerichts, Zustellung der Klageschrift

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 09.07.2021; Aktenzeichen 32 O 145/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 09.07.2021, Az. 32 O 145/21, abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.003,18 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.06.2020 Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Golf mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...89 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.171,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.06.2020 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 25% und die Beklagte 75%.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

7. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages im sogenannten "VW-Diesel-Skandal".

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 21.08.2018 verstorbenen Ehemanns (vgl. Erbschein des Amtsgerichts München vom 16.01.2019 - 615 VI 13471/18, Anlage K1a). Dieser erwarb am 04.10.2011 von der M. ... einen VW Golf VI 2.0 TDI mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer ...89, der mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist, zum Preis von 27.900 EUR (Anlage K1). Der Kilometerstand betrug 50 km. Die Beklagtenpartei ist die Herstellerin des Fahrzeugs und auch des in ihm verbauten Motors.

Die im Zusammenhang mit dem Motor EA 189 verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und erließ 2015 - dem Jahr des Bekanntwerdens des Diesel-Skandals - Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung. Die Beklagtenpartei bot daraufhin die Durchführung von Software-Updates an, mit denen diese Software aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit 2,0-Liter-Hubraum entfernt werden sollte. Das Update wurde aufgespielt.

Am 22.09.2015 informierte die Beklagte die Öffentlichkeit über die Tatsache, dass in VW-Konzernfahrzeugen mit einem EA 189-Dieselmotor eine Software eingebaut war, die zu auffälligen Abweichungen der Abgaswerte zwischen Prüfstands- und realem Fahrbetrieb führte. Über die Verwendung der Umschaltlogik wurde in den Medien ab dem 22.09.2015 umfassend berichtet.

Die Klägerin hat - formal als Vertreterin ihres bereits verstorbenen Ehemanns handelnd (vgl. Anlage K19) - ihre Ansprüche am 27.11.2018 zur Eintragung in das Klageregister der am 01.11.2018 eingereichten und am 12.11.2018 zugestellten Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte angemeldet. Die Musterfeststellungsklage wurde mit beim Gericht am 30.04.2020 eingegangenen Schriftsatz der klageführenden qualifizierten Einrichtung zurückgenommen. Die Zustimmung der Gegenseite ging am 04.05.2021 bei Gericht ein (vgl. auch Bekanntmachung des Bundesamts für Justiz zum einschlägigen Musterfeststellungsverfahren, dort unter Ziff. 5.1). Eine Abmeldung der Klägerin war nicht erfolgt.

Mit Schreiben der Klägervertreter vom 19.06.2020 forderte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, die Beklagtenpartei zur Zahlung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung (Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs) mit Frist bis zum 26.06.2020 auf und machte zugleich ihren Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend.

Bei Klageeinreichung am 04.01.2021 betrug der Kilometerstand 44.810 km, am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 21.05.2021 49.387 km und am 08. Dezember 2021 53.241 km.

Die Klagepartei führt aus, die Beklagtenpartei habe durch die Verwendung einer Manipulations-Software die Klagepartei vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Wenn ihr Ehemann Kenntnis von dieser Software gehabt hätte, hätte er den Pkw nicht gekauft. Der Vorstand der Beklagtenpartei habe von der Software gewusst. Dies müsse sich die Beklagtenpartei nach § 31 BGB zurechnen lassen.

In rechtlicher Hinsicht macht sie Ansprüche aus § 826 BGB geltend, die auch nicht verjährt seien. Hilfsw...

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