Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Festsetzung der Vergütung des Vorstands einer Aktiengesellschaft ist die Anwendung von Vergütungskriterien unzulässig, die geeignet sind, die in § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG genannten gesetzlichen Vorgaben für die Bemessung der Bezüge zu beeinträchtigen oder zu gefährden.

2. Einer Vergütungsregelung, die prinzipiell geeignet ist, Entscheidungen zu honorieren, die den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen, steht zumindest bei Vorliegen eines faktischen Konzernverhältnisses zu einer Obergesellschaft § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG entgegen.

3. Die Festsetzung der Vergütung des Vorstands unter Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG ist im vorliegenden Fall nicht als schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß i.S.d. § 243 Abs. 1 AktG anzusehen angesichts der beachtlichen unterschiedlichen Auffassungen in der Fachliteratur und der obergerichtlich nicht geklärten Rechtslage sowie dem fehlenden Nachweis eines tatsächlich eingetretenen Nachteils der Gesellschaft.

 

Normenkette

AktG § 87 Abs. 1, § 116 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 23.08.2007; Aktenzeichen 5 HKO 10734/07)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG München I vom 23.8.2007 - 5 HKO 10734/07, wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger und die Nebenintervenientin tragen die Kosten des Berufungsverfahrens zu gleichen Teilen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger sowie die Nebenintervenientin können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Beschlusses der Hauptversammlung der Beklagten vom 11.5.2007 zu Tagesordnungspunkt 4, mit welchem dem Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2006 die Entlastung erteilt worden ist. Der Kläger hat diesen angefochten mit der Begründung, der Aufsichtsrat habe die Vorstandsvergütung in einer gegen das Aktiengesetz verstoßenden Weise festgesetzt und ferner seine Berichtspflichten verletzt.

Die Beklagte ist ein regionaler Energiedienstleister in B., an der ohne Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag die R. Energy AG, eine 100%ige Tochtergesellschaft der R. AG, die die Aktien über zwei Konzerntöchter hält, mit 89,87 % beteiligt ist. Weitere 6,74 % der Aktien der Beklagten befinden sich im Besitz der öffentlichen Hand. Der verbleibende Streubesitz beläuft sich auf 3,39 %, von denen der Kläger und die Nebenintervenientin Aktien halten.

Dem neun Mitglieder zählenden Aufsichtsrat der Beklagten gehörten im Jahr 2006 insgesamt 6 Personen an, die für die R. Energy AG als Vorstände (U. und Z.), als Aufsichtsrat (S.) oder in sonstiger gehobener Funktion (E., Dr. N. und Dr. R.) tätig waren.

Der Aktienkurs der Beklagten ist vom 31.12.2002 bis 11.6.2007 um 52 % angestiegen, während sich der Börsenkurs der R. AG in dieser Zeit um 238 % erhöht hat.

Die Beklagte hatte im Geschäftsjahr 2006 bei Umsatzerlösen von 924.781.000 EUR einen Materialaufwand von 567.621.000 EUR. Die von der Beklagten von der R. AG und anderen Konzerngesellschaften bezogenen Lieferungen und Leistungen betrugen im Geschäftsjahr 2005 249.430.000 EUR und im Geschäftsjahr 2006 293.593.000 EUR. Der Jahresüberschuss für 2006 betrug 66.900.000 EUR.

An Dividenden schüttete die Beklagte pro Aktie in 2003 14,10 EUR, in 2004 15 EUR, in 2005 15 EUR zzgl. 2 EUR je Aktie und in 2006 15 EUR aus. Die Gewinnrücklagen des R.-Konzerns stiegen von 308.640.000 EUR zum 1.1.2005 auf 423.343.000 EUR im Jahr 2006.

Der Aufsichtsrat der Beklagten hat die Vergütung der Vorstandsmitglieder für das Geschäftsjahr 2006 mit folgenden Beträgen festgesetzt:

I. Kurzfristige Vergütungen U.K.:

Feste Vergütung 199.000 EUR

Variable Vergütung 121.000 EUR

Sach- und sonstige Bezüge 20.000 EUR

Mandatseinkünfte 43.000 EUR

Gesamtbetrag 383.000 EUR

P.W.

Feste Vergütung 199.000 EUR

Variable Vergütung 132.000 EUR

Sach- und sonstige Bezüge 19.000 EUR

Mandatseinkünfte 45.000 EUR

Gesamt 395.000 EUR

II. Langfristige Vergütung in Ausübung der in 2004 gewährten Wertsteigerungsrechte im Rahmen des Long Term Incentive Plan (LTIP):

U.K. 399.000 EUR

P.W. 399.000 EUR

Zusätzlich als variable Vergütungskomponente mit langfristiger Anreizwirkung im Rahmen des Long Term Incentive Plan Beat (Tranche 2006):

U.K. 6.293 Aktien Zeitwert 110.000 EUR

P.W. 6.293 Aktien Zeitwert 110.000 EUR

Der Geschäftsbericht weist zur Erläuterung der langfristigen Vergütungen folgende Angaben auf:

Das Programm Beat hat zum 1.1.2005 den Long Term Incentive Plan 2002 (LTIP) abgelöst und honoriert den nachhaltigen Beitrag der Führungskräfte zum Erfolg des Unternehmens. Der Erfolg des Unternehmens wird dabei anhand des Total Shareholder Return (TSR) gemessen - also der Entwicklung des Aktienkurses sowie reinvestierter Dividenden - und mit der Entwicklung des TSR anderer Unternehmen im Dow-Jones-STOXX-Utilities-Index verglichen. Hierdurch wird der nachhaltige Erfolg von R. im Vergleich zu anderen...

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