Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwicklung der Leistungserbringung im Bereich der Jugendhilfe nach den Grundsätzen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe stehen gegenüber einem freien Träger bei einer Abweichung des Personaleinsatzes von einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung nach § 78 b SGB VIII keine Schadensersatz- oder Rückforderungsansprüche zu.

2. Der öffentliche Träger kann daher nicht Auskunft verlangen, ob ein bestimmungsgemäßer Personaleinsatz erfolgt ist.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 280, 283, 326 Abs. 1-2, §§ 421, 441 Abs. 3, § 611 Abs. 1, §§ 612, 631 Abs. 1, §§ 632, 662, 666, 670, 675, 812; EStG § 33c Abs. 1; SGB VIII §§ 78b, 78f; SGB X §§ 31, 53 Abs. 1; ZPO § 519

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 22.03.2019; Aktenzeichen 26 O 10471/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.02.2021; Aktenzeichen III ZR 175/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 22.03.2019, Az. 26 O 10471/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als öffentlicher Träger der Jugendhilfe im Wege der Stufenklage Auskunftsansprüche geltend im Zusammenhang mit der Personalbelegung von sechs Einrichtungen, die die Beklagten als Träger der freien Jugendhilfe betreiben bzw. betrieben haben.

1. Gegenständlich sind die folgenden Einrichtungen, in der Jugendliche bzw. junge Erwachsene betreut werden/wurden:

ISE 24 Jungen (Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung): ...str. 8 a, ...

ISE 24 Mädchen (Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung): ...str. 9 a, ...

SBW (sozialpädagogisch betreutes Wohnen): Flexible Einzelbetreuung; ...str. 3-5a, ... Neue WG ...straße 67, ... (Leistungserbringer und Betreiber für diese Einrichtungen ist die Beklagte zu 1))

HPT (=Heilpädagogische Tagesstätte) ..., ...Platz 7-8, ...

HPT ... (= Heilpädagogische Tagesstätte), ... Str. 5, ... (Leistungserbringer und Betreiber für diese Einrichtungen ist die Beklagte zu 2))

Grundlage für den Betrieb der Einrichtungen sind Betriebserlaubnisse der Regierung von Oberbayern. Für jede Einrichtung bestehen zwischen den Parteien Leistungs- und Entgeltvereinbarungen nach § 78 b SGB VIII, in denen für einen bestimmten Zeitraum auf der Basis eines Personalschlüssels die Leistungsentgelte (Pflegesätze) für die Betreuung festgehalten werden. Der Inhalt der Vereinbarungen und das Verfahren bei der Förderung richtet sich nach einem Rahmenvertrag nach § 78 f SGB VIII (vorgelegt als Anlage K 49); im Einzelfall erlässt die Klägerin einen Kostenübernahmebescheid, der an den zu betreuenden Jugendlichen oder jungen Erwachsenen gerichtet ist und von dem die Beklagten eine Abschrift erhalten.

2. Im Februar 2014 gingen beim Stadtjugendamt ... Hinweise von Mitarbeitern der Beklagten zu 1) ein, wonach in den Einrichtungen ein von den Betriebserlaubnissen und Leistungsvereinbarungen abweichender Personaleinsatz vorliegen würde; weiter sollen sich Hinweise auf gefälschte Personalmeldungen ergeben haben. Das Stadtjugendamt und die Regierung von Oberbayern führten noch im Februar und März 2014 Vorort- und Stichprobenprüfungen durch. Die Klägerin leitete sodann Prüfverfahren nach §§ 15 ff. des Rahmenvertrags zu § 78 f SGB VIII ein, die ihren Abschluss mit Erstellung von Prüfberichten im Juni 2017 fanden (Anlagen K 10 bis K 14). Laut Klägerin habe sich dabei ergeben, dass in den Einrichtungen eine massive Personalunterdeckung bestand und unqualifiziertes Personal eingesetzt wurde. In der Folgezeit nach Einleitung des Prüfverfahrens verhängte die Klägerin einen Belegungs- und Finanzierungsstopp. Der Betrieb einiger Einrichtungen wurde eingestellt. Die Regierung von Oberbayern verhängte am 30.01.2017 für zwei Einrichtungen der Beklagten einen Aufnahmestopp (Anlagen K 15 und K 16).

In diesem Kontext führten die Parteien diverse Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München. Auch das vorliegende Verfahren war zunächst beim Verwaltungsgericht München anhängig. Dieses stellte mit Beschluss vom 11.10.2017 die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs fest und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht München I. Die Entscheidung wurde auf die Beschwerde der Klägerin durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19.06.2018 bestätigt.

3. Die Klägerin hat in erster Instanz im Wesentlichen vorgetragen, dass in den Einrichtungen der Beklagten ein vereinbarungsg...

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