Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrzeug, Kaufpreis, Berufung, Kommission, Schadensersatzanspruch, Darlegungslast, Haftung, Sittenwidrigkeit, Arglist, Software, Auslegung, Wirksamkeit, Auskunft, Form, Zeitpunkt der Entscheidung, ins Blaue hinein, Art und Weise

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 08.04.2022; Aktenzeichen 31 O 3275/21 Die)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 08.04.2022, Az. 31 O 3275/21 Die, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 29.07.2022.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um Schadensersatzansprüche nach einem Fahrzeugkauf im Zusammenhang mit dem sogenannten "Dieselskandal".

Die Klagepartei erwarb am 18.12.2018 einen Porsche Cayenne 3.0 TDI (Euro 5) zu einem Kaufpreis von 90.000 EUR von einer Privatperson. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten entwickelter und hergestellter Motor verbaut. Das Fahrzeug ist nicht Gegenstand eines Rückrufs wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch das Kraftfahrtbundesamt.

Die Abgasreinigung erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird außerhalb eines bestimmten Temperaturfensters reduziert ("Thermofenster").

Die Klagepartei ist der Auffassung, dass die Motorensoftware mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen, insbesondere in Form dieses Thermofensters, aber auch einer Lenkwinkelerkennung, beinhalte.

Die Beklagte tritt der Klage entgegen und führt aus, dass sie nicht getäuscht habe. Eine Handlung, welche als Täuschung oder sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte qualifiziert werden könne, liege nicht vor.

Das Landgericht Ingolstadt wies die Klage mit der Begründung ab, dass Schadensersatzansprüche nicht bestehen. Eine deliktische Haftung scheide bereits deshalb aus, weil es an einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte fehle. Zudem sei der Vortrag der Klagepartei zu Abschalteinrichtungen unsubstantiiert.

Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil verfolgt die Klagepartei ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.

II. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt begegnet aus Sicht des Senats im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bemisst sich dabei nach § 529 ZPO, demnach sind die vom Gericht der I. Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die Klageabweisung werden keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen im Sinne des § 529 ZPO vorgetragen. Zur Überzeugung des Senats hat das Erstgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die angeblichen, die Benutzbarkeit des Fahrzeugs in Frage stellenden Manipulationen werden klägerseits ins Blaue hinein behauptet, ohne greifbare Anhaltspunkte hierfür darzulegen. Unter diesen Umständen ist auch für die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw. einer Auskunft des Kraftfahrbundesamtes kein Raum.

1. Die gebotene Darlegung und der Nachweis einer etwaigen Abschalteinrichtung müssen grundsätzlich auf den im streitgegenständlichen Fahrzeug konkret verbauten Motor gerichtet sein. Denn es geht nicht an, alle Fahrzeuge (eines Herstellers oder gar eines Konzerns) quasi "über einen Kamm zu scheren", indem man behauptet, die Beklagte habe wie andere Hersteller Fahrzeuge mit illegalen Abschalteinrichtungen verkauft, das Kraftfahrtbundesamt (KBA) habe auch für Fahrzeuge der Beklagten einen Zwangsrückruf angeordnet und deshalb sei auch das streitgegenständliche Fahrzeug von den Manipulationen betroffen. Eine solche "Vermutung" sieht der Senat nicht, schon weil damit sämtliche Motoren einer Motorenfamilie/einer Baureihe ohne Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen technischen Merkmale und ohne Berücksichtigung der möglicherweise äußerst unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. Euro 6 statt Euro 5) dem Generalverdacht einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterworfen werden würden (vgl. ausführlich OLG München WM 2019, 1937). Einen solchen "Generalverdacht" hat auch der BGH in seinem Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740, nicht angenommen. Es sind daher konkret motorbezogene Anhaltspunkte darzulegen.

Auch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast ändern daran nichts: Sie reduzieren nicht etwa die allgemeinen Anforderungen an die Substantiierung der primären Darlegungen des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der maßgebenden Tatbestandsmerkmale (so wohl z.B. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 5.3....

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge