Verfahrensgang

LG Kempten (Urteil vom 17.05.2022; Aktenzeichen 32 O 75/22)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 17.05.2022, Az. 32 O 75/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Die Klagepartei macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Dieselfahrzeugs wegen behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtungen in Bezug auf die Abgasreinigung geltend.

Die Klagepartei erwarb am 14.08.2014 bei einem Autohändler einen Neuwagen der Marke Opel Zafira Tourer zu einem Preis von 29.000 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor vom Typ A 20 ausgestattet, der der Abgasnorm Euro 5 unterfällt. Das Fahrzeug unterliegt nach den Feststellungen des Erstgerichts keinem Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA).

Der Klagepartei behauptet, dass die Abgasreinigung durch verschiedene Steuerungsmechanismen unzulässig manipuliert werde: Das Fahrzeug sei mit einem Emissionskontrollsystem versehen, dessen Wirkung sich in Abhängigkeit unter anderem vom Umgebungsdruck (unterhalb 91,5 kPa) und der Motorendrehzahl (oberhalb 2.750 U/min) verringere. Die Abgasreinigung wechsele zudem 1180 Sekunden nach Motorstart in einen "schmutzigen" Abgasmodus um, in dem die Emissionsminderungsmaßnahmen reduziert seien. Darüber hinaus komme in dem Fahrzeug eine Software zur Anwendung, die bewirke, dass im normalen Fahrbetrieb auf der Straße in Außentemperaturbereichen unter +17 Grad mehr Stickoxid ausgestoßen werde als nach der Euro 5-Norm zulässig ("Thermofenster").

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klagepartei mit ihrer Berufung.

II. Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Insbesondere hat die Berufung nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil des Landgerichts weist weder Rechtsfehler zum Nachteil der Klagepartei auf, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht Schadensersatzansprüche verneint. In Ermangelung eines Schuldverhältnisses zwischen den Parteien kommen ausschließlich deliktische Ansprüche in Betracht. Solche lassen sich weder auf § 826 BGB stützen noch auf § 823 Abs. 2 BGB oder auf § 831 BGB. Im Einzelnen:

1. Anspruch aus § 826 BGB

Ein Anspruch aus § 826 BGB scheidet schon mangels einer dafür vorausgesetzten vorsätzlichen sittenwidrigen Handlung der Beklagten aus.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 - juris Rn. 13 bis 19 und vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20 - juris Rn. 27 f.) wäre Voraussetzung für einen Anspruch der Klagepartei aus § 826 BGB, dass die Beklagte in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und diesen Umstand dem Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) als zuständiger Behörde verschwiegen hätte, um sich die Typgenehmigung zu erschleichen. Selbst wenn die Beklagte also in die Motoren des in Rede stehenden Fahrzeugtyps eine nach Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut haben sollte, genügte dies allein noch nicht für einen Anspruch aus § 826 BGB. Die Annahme objektiver Sittenwidrigkeit setzt vielmehr darüber hinaus voraus, dass die Verantwortlichen der Beklagten bei der Entwicklung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Für diese Voraussetzung trägt nach den allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast aa) Das Vorbringen der Klagepartei, das Fahrzeug wechsele 1180 Sekunden nach Motorstart in einen "schmutzigen" Abgasmodus, in dem die Emissionsminderungsmaßnahmen reduziert seien, stellt sich als Behauptung ins Blaue hinein dar, über die demgemäß kein Beweis zu erheben war. Denn aus dem vom Kläger selbst in Bezug genommenen Bericht der von der damaligen Bundesregierung eingesetzten "Untersuchungskommission Volkswagen" folgt, dass ein der Schadstoffklasse Euro 5 unterfallender Dieselmotor der Beklagten mit 2.0 Liter Hubraum im sog. "Prüfzyklus 2 - NEFZ warm" - der gerade dazu diente "aufzuzeigen, ob eine unerlaubte Optimierung der Emissionswerte angewendet wird, indem beispielsweise nach 1180 s auf eine Reduzierung der Emissionsminderungsmaßnahmen umgeschaltet wird" - den Grenzwert erfüllte.

bb) Der Umstand, dass die Abgasrückführung in dem Fahrzeug der Klagepartei durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems reduziert wird und die Abgasreinigung in bestimmten Umgebungstemperaturbereichen nicht mehr voll funktionsfähig ist (Thermofenster), reicht unabhängig davon, ob die Einrichtung in ihrer konkreten Ausgestaltung als unzulässig i.S.v Art. 5 Abs. 2 der VO (EG...

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