Leitsatz (amtlich)

1. Zum Anfall und zur Höhe einer Besprechungsgebühr, wenn ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Vergabekammer mit dem Anwalt einer beteiligten Partei telefonisch die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags erörtert.

2. Für die anwaltliche Vertretung einer Bietergemeinschaft im Nachprüfungsverfahren fällt für deren Verfahrensbevollmächtigten keine Erhöhungsgebühr an.

3. Der öffentliche Auftraggeber und der ihn im Nachprüfungsverfahren unterstützende Beigeladene haften für die Kosten eines obsiegenden Bieters als Teilschuldner.

 

Normenkette

BRAGO § 6 Abs. 1 S. 2, § 118 Abs. 1 Nr. 2; GWB § 128 Abs. 4; VOB/A § 21 Nr. 5; ZPO § 100 Abs. 1, § 101

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 03.05.2005; Aktenzeichen 120.3-3194.1-27-04/04)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird Ziff. 1 des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Vergabekammer Südbayern vom 3.5.2005 dahingehend abgeändert, dass die der Antragstellerin durch die anwaltliche Vertretung erwachsenen notwendigen Aufwendungen im Nachprüfungsverfahren auf 4.739 EUR festgesetzt werden.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin 3/5, die Antragsgegnerin und die Beigeladene je 1/5 zu tragen.

IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.089,80 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin schrieb im Offenen Verfahren den Neubau einer Autobahnbrücke aus. Sie beabsichtigte, den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen, wogegen sich die Antragstellerin durch Einleitung des Nachprüfungsverfahrens wandte. Mit Beschluss des BayObLG vom 27.7.2004 (BayObLG, Beschl. v. 27.7.2004 - Verg 14/04) wurde die Antragsgegnerin u.a. verpflichtet, das Hauptangebot der Antragstellerin nicht von der Wertung auszuschließen und die Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu werten. Die Kosten des Verfahrens erlegte der Vergabesenat nach §§ 91, 100 Abs. 1, 101 ZPO analog der Antragsgegnerin und der Beigeladenen auf. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wurde für notwendig erklärt.

Mit Schreiben vom 14.1.2005 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin, für das Verfahren bei der Vergabekammer folgende Kosten festzusetzen:

  • Gebühr § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO 10/10 3.146,00 EUR
  • Erhöhung nach § 6 BRAGO 3/10 943,80 EUR
  • Gebühr § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO 10/10 3.146,00 EUR
  • Auslagenpauschale 20,00 EUR

Hinsichtlich der geltend gemachten Besprechungsgebühr machte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin geltend, ein Mitglied der Vergabekammer habe mit ihm ein längeres Telefongespräch über die Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags geführt.

Mit Beschl. v. 3.5.2005 hat die Vergabekammer die durch die anwaltliche Vertretung erwachsenen notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin auf 3.166 EUR (10/10 Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO i.H.v. 3.146 EUR zzgl. 20 EUR Auslagenpauschale) festgesetzt und zugleich bestimmt, dass die festgesetzten Kosten von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen je zur Hälfte zu tragen sind. Den weiter gehenden Kostenantrag hat die Vergabekammer abgelehnt. Eine Erhöhungsgebühr sei nicht festzusetzen, da Bietergemeinschaften im Vergabeverfahren als ein einheitliches Unternehmen anzusehen seien. Eine Besprechungsgebühr sei nicht angefallen, da mit dem Vorsitzenden oder einem Beisitzer der Vergabekammer ein Gespräch nicht stattgefunden habe. Es seien lediglich telefonisch Unterlagen von der Geschäftsstelle angefordert worden; dabei sei auf die Gebührenregelung der Vergabekammer bei Antragsrücknahme hingewiesen worden. Die Dauer des Telefonats habe nicht die Geschäftsstelle zu verantworten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht geltend, dass der anwaltliche Vertreter die Vorgehensweise im Verfahren mit zwei Firmen habe abstimmen müssen. Eine gemeinschaftliche Federführung habe es nicht gegeben. Dies rechtfertige den Ansatz einer Erhöhungsgebühr von 3/10 nach § 6 BRAGO. Die Geltendmachung einer Besprechungsgebühr sei im Hinblick auf das dargelegte Telefonat gerechtfertigt, in dem sich ein sachkundiges Mitglied des Gerichts intensiv bemüht habe, den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zur Rücknahme des Nachprüfungsantrags zu bewegen. Zudem sei in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss abweichend von der Entscheidung des BayObLG vom 27.7.2004 eine hälftige und keine gesamtschuldnerische Haftung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ausgesprochen worden.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene sind der sofortigen Beschwerde entgegen getreten.

II. 1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung der Vergabesenate ist ein Kostenfestsetzungsbeschluss der Vergabekammer ein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt, gegen den abweichend vom allgemeinen Verwaltungsrechtsweg nach §§ 40 ff. VwGO die sofortige Beschwerde na...

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