Leitsatz (amtlich)

Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Ehesachen (hier: Ägypten)

 

Tenor

I. Die Entscheidung des Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom 27. Juni 2019 wird aufgehoben.

II. Der Antrag auf Feststellung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der am 28.11.2018 ausgesprochenen und am 29.11.2018 beim Standesamt El S./Ägypten eingetragenen Scheidung des Beteiligten zu 2 von der Beteiligten zu 1 gegeben sind, wird zurückgewiesen.

III. Die im Verfahren auf Entscheidung durch das Oberlandesgericht entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 trägt der Beteiligte zu 2.

IV. Der Geschäftswert für das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten, beide ägyptische Staatsbürger muslimischen Glaubens, schlossen am 13.1.2017 vor dem geistlichen Standesbeamten von M./Ägypten die Ehe sowie einen Ehevertrag. Die Ehe wurde am 15.1.2017 im Standesamt von Bab El Sh./Ägypten registriert.

Die Beteiligten haben ein gemeinsames Kind, das am 29.5.2018 in Deutschland geboren wurde, wo sich die Beteiligte zu 1 zumindest von März bis Juli 2018 aufhielt und ab 10.3.2018 unter derselben Anschrift wie der Beteiligte zu 2 gemeldet war. Am 13.3.2018 erklärten die Beteiligten gegenüber der Ausländerbehörde schriftlich, in ehelicher Lebensgemeinschaft und gemeinsam in der angegebenen Wohnung zu leben. Daraufhin erteilte die Behörde am 23.5.2018 der Beteiligten zu 1 einen bis 30.6.2020 gültigen Aufenthaltstitel.

Am 28.11.2018 verstieß der zum Zwecke seiner Fortbildung zum Facharzt in Deutschland lebende Beteiligte zu 2 vor dem geistlichen Standesbeamten von B./Ägypten in Anwesenheit zweier Zeugen die dabei nicht anwesende, jedenfalls zu dieser Zeit in Ägypten lebende Beteiligte zu 1 und erklärte, hiermit sei seine Ehefrau von ihm geschieden. Die Scheidung wurde am Folgetag im Standesamt von El S./Ägypten registriert.

Im Hinblick auf die Scheidung machte die Beteiligte zu 1 mit am 14.4.2019 bei der Geschäftsstelle des Familiengerichts A./Ägypten hinterlegter Klageschrift die Zahlung der im Ehevertrag vereinbarten Brautgabe geltend. Dem wurde mit Urteil vom 20.7.2019 stattgegeben.

Mit am 18.4.2019 beim Präsidenten des Oberlandesgerichts München eingegangenem Schreiben hat der Beteiligte zu 2 Antrag auf Anerkennung der Scheidung gestellt. Dabei hat er u.a. die aktuelle Adresse und Telefonnummer der Beteiligten zu 1 in Ägypten mitgeteilt.

Am 27.6.2019 hat der Präsident des Oberlandesgerichts München festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der am 28.11.2018 ausgesprochenen und am 29.11.2018 beim Standesamt El S./Ägypten eingetragenen Scheidung des Beteiligten zu 2 von der Beteiligten zu 1 gegeben sind. Die Entscheidung ist dem Beteiligten zu 2 mit Schreiben vom 3.7.2019 zugestellt worden.

Gegen die Anerkennung der Scheidung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom 27.6.2019 hat die Beteiligte zu 1 mit Anwaltsschriftsatz vom 13.5.2020, per Telefax eingegangen am selben Tag, Rechtsmittel eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie habe erst am 7.5.2020 durch Einsicht in ihre Ausländerakte erfahren, dass die Scheidung anerkannt worden sei. Die Scheidung sei in ihrer Abwesenheit erfolgt. Dies habe der Beteiligte zu 2 dadurch erreicht, dass er gegenüber der ägyptischen Behörde eine falsche Zustelladresse angegeben habe. Zudem hätten die Scheidungsvoraussetzungen nach ägyptischem Recht nicht vorgelegen, da der Ehemann den für den Fall der Scheidung vereinbarten Betrag nicht bezahlt gehabt habe.

Daraufhin ist die Entscheidung vom 27.6.2019 der Beteiligten zu 1 über ihren Anwalt am 25.5.2020 zugestellt worden mit dem Hinweis, eine Anhörung der Antragsgegnerin sei nach den hier üblichen Regeln nicht erfolgt, weil glaubhaft gemacht worden sei, dass sie zu dem Zeitpunkt keinen Inlandsbezug gehabt habe. Bei der Scheidung handle es sich um eine Privatscheidung, bei der die Beteiligung beider Ehegatten gesetzlich vorgeschrieben sei, so dass keine Zweifel daran bestünden, dass die Ehefrau von der Scheidung gewusst habe und daran beteiligt gewesen sei.

Der Beteiligte zu 2 meint, die Beschwerde sei verfristet, weiter, die Voraussetzungen für die Scheidung hätten vorgelegen, die Zahlung der Brautgabe zähle hierzu nicht. Er behauptet, die Beteiligte zu 1 habe von der Scheidungsabsicht gewusst, die Verstoßungserklärung sei ihr mitgeteilt worden.

Die Beteiligte zu 1 ist der Auffassung, die Scheidung sei unter Verstoß gegen den ordre public zustande gekommen, da ihr kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Indem sie auch im Anerkennungsverfahren nicht beteiligt worden sei, sei erneut ein schwerwiegender Verfahrensfehler begründet worden.

Der Präsident des Oberlandesgerichts München hat am 20.1.2021 entschieden, dem Rechtsmittel nicht abzuhelfen.

Die Beteiligte zu 1 hat daraufhin erklärt, sie habe die amtliche Urkunde über die Scheidung nie erhalten. Von der Scheidung habe sie ers...

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