Leitsatz (amtlich)

Für die Auslegung des Begriffs „unverzüglich” i.S.d. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO kann auf die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 11.11.2003; Aktenzeichen 17 HKO 16184/03)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG München I vom 11.11.2003 – 17 HKO 16184/03 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 11.11.2003 hat das LG München I die Kosten des Verfahrens nach Rücknahme des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung und Rücknahme der Widerklage gegeneinander aufgehoben. Auf diesen Beschluss und die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, soweit zu deren Nachteil entschieden worden ist. Die Antragstellerin macht geltend, das LG habe § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht berücksichtigt, nach dem sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen bestimme, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen sei und die Klage darauf unverzüglich zurückgenommen werde. Der Antragsgegner habe erstmals in der Widerspruchsbegründung vom 8.9.2003 zu dem ihm vorprozessual substantiiert gemachten streitgegenständlichen Vorwurf in der Sache Stellung genommen und diesen ausgeräumt. Damit sei der Antragsgegner seiner ihn ggü. der Antragstellerin treffenden vorprozessualen Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, sondern habe die Antragstellerin bewusst in den Prozess getrieben, so dass er auch die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu tragen habe.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 17. Kammer für Handelssachen mit dem Aktenzeichen 17 HK O 16184/03 vom 11.11.2003 abgeändert.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Antragsgegner tritt der sofortigen Beschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 19.1.2004 nicht abgeholfen.

II. 1. Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist nach § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter zuständig, weil die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde. Einzelrichter im Sinne dieser Bestimmung ist auch die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 568 Rz. 2), die hier entschieden hat. Die Voraussetzungen des § 568 S. 2 ZPO liegen nicht vor.

2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 567 Abs. 1 Nr. 1, § 269 Abs. 5 S. 1, § 569 ZPO), aber nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO für eine Kostentragung des Antragsgegners bezüglich des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind im Streitfall nicht gegeben. Nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird. Es kann im Streitfall dahinstehen, ob der Antragsgegner durch die vorprozessualen Äußerungen ggü. der Antragstellerseite Anlass für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben hat und ob dieser Anlass vor Rechtshängigkeit, die bereits mit der Stellung des Verfügungsantrags am 1.9.2003 (Bl. 1) eingetreten ist (vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rz. 91), weggefallen (vgl. zum Wegfall des Klageanlasses OLG Naumburg, Beschl. v. 3.12.2002 – 11 W 267/02, in juris dokumentiert (für die Kostenlast nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO in erster Linie maßgeblich, wer nach dem bisherigen Sach- und Streitstand den Rechtsstreit verloren hätte); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 269 Rz. 37) ist. Jedenfalls ist die Antragsrücknahme nicht unverzüglich i.S.d. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO erfolgt. Für die Auslegung des Begriffs „unverzüglich” i.S.d. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO kann auf die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden (vgl. OLG Brandenburg v. 12.3.2003 – 13 W 1/03, MDR 2003, 951; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 269 Rz. 40), danach bedeutet „unverzüglich” „ohne schuldhaftes Zögern”. Unverzüglich ist demnach nicht gleich bedeutend mit „sofort”; eine angemessene Überlegungs- und Prüfungsfrist ist einzuräumen (vgl. OLG Brandenburg v. 12.3.2003 – 13 W 1/03, MDR 2003, 951). Im Streitfall erfolgte die Antragsrücknahme indes erst im Termin vom 6.11.2003, obgleich die Antragstellerin nach eigener Darlegung bereits durch die Anlage AG 7 (eidesstattliche Versicherung des Herrn H.B. vom 9.9.2003) zum Widerspruchsschriftsatz vom 8.9.2003 (vgl. Ladungsverfügung vom 11.9.2003 (Bl. 13/14)) erfahren hat, dass der Antragsgegner die streitgegenständliche Aussage nicht gemacht hat. Diese Antragsrücknahme erfolgte auch ...

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