Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis des Rechtsvorrangs im Grundbuchverfahren

 

Tenor

GBO § 22 Abs. 1 Pfandfreie Abschreibung von Grundstücksteilflächen bei Belastung des dienenden Grundstücks mit einem Geh- und Fahrtrecht, das nach dem textlichen Beschrieb der Bewilligung nur ausgeübt werden darf auf der in der Natur bereits angelegten Zufahrt zum herrschenden Grundstück vom Gemeindeweg aus.

Tenor

I. Der Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim - Grundbuchamt - vom 11. Oktober 2016 wird aufgehoben.

II. Das Amtsgericht Rosenheim - Grundbuchamt - wird angewiesen, den Eintragungsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 vom 23. Juni 2016 nicht aus den Gründen des Beschlusses vom 11. Oktober 2016 zurückzuweisen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1, eine Stiftung, ist aufgrund Einbringung vom 29.11.2012 Eigentümerin eines im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs als FlSt .../X vorgetragenen Grundstücks, das nach dem Fortführungsnachweis des zuständigen Vermessungsamts Nr. ... durch Abschreibung einer Teilfläche von 4.022 qm aus dem Stammgrundstück FlNr. ... (9175 qm) entstanden ist. Mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 26.4.2016 bestellte die Beteiligte zu 1 zu Gunsten der Beteiligten zu 2, einer oberbayerischen Gemeinde, an diesem Grundstück ein Erbbaurecht für die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses (Seniorenwohnanlage). Gemäß Ziff. IX. 1. der Bestellungsurkunde bewilligten und beantragten die Urkundsbeteiligten folgende Eintragung im Grundbuch:

a) am Erbbaugrundstück

- in Abt. II an erster Rangstelle das Erbbaurecht gemäß Abschnitt II dieses Vertrages,

...

Die Urkundsbeteiligten stimmten allen zum Vollzug erforderlichen Freigabe-, Rangrücktritts- und Löschungserklärungen zu mit dem Antrag auf Eintragung in das Grundbuch. Sie beauftragten den Notar, von den Berechtigten der in Abteilung II eingetragenen Rechte Löschungsbewilligungen, hilfsweise Rangrücktrittsbewilligungen einzuholen (Ziff. IX. 3. und 4.).

Unter Vorlage der Urkunde hat der Notar am 23.6.2016 gemäß § 15 GBO den grundbuchamtlichen Vollzug beantragt.

In Abteilung II des Grundbuchs ist - wie bereits am Stammgrundstück ... - an erster Rangstelle eine Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrtrecht) für den jeweiligen Eigentümer von FlSt ... aufgrund Bewilligung vom 6.2.1962 eingetragen. Es ist bei Anlegung des Grundbuchs für .../X hierher übertragen worden. Der Notar hat geltend gemacht, das die Belastung ausweisende Grundbuch sei insoweit unrichtig und durch lastenfreie Abschreibung zu berichtigen, weil FlSt .../X vom Ausübungsbereich des Rechts zu keiner Zeit betroffen gewesen sei.

Dem liegt Folgendes zugrunde:

Im Zuge von Übertragungen zu- und abgeschriebener Teilflächen aus den unter den Plannummern ..., ... und ... vorgetragenen Ursprungsgrundstücken haben die damaligen Beteiligten des Bestellungsvertrags vom 6.2.1962 unter Bezugnahme auf den Veränderungsnachweis des zuständigen Vermessungsamts Nr. .../... erklärt (Ziff. IV der Urkunde):

Die Zufahrt zum Grundstück Pl.Nr. ... vom Gemeindeweg Pl.Nr. ... aus erfolgt über das Grundstück Pl.Nr. ... in einer Breite von drei Meter auf der in der Natur bereits angelegten Fahrt.

Die Eheleute M. (Eigentümer der PlNr. ...) räumen das unentgeltliche Geh- und Fahrtrecht in der vorbezeichneten Weise ein.

Sie bestellen zur Sicherung der Rechtseinräumung eine Grunddienstbarkeit an Pl.Nr. ... zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Pl.Nr. ... und bewilligen und beantragen die Eintragung dieser Grunddienstbarkeit im Grundbuch ...

Von FlSt ... wurde nachfolgend eine im Süden liegende Teilfläche ab- und dem dort angrenzenden FlSt .../X zugemessen. Dessen Eigentümer ist der Beteiligte zu 3.

Das Grundbuchamt hat zur Löschung neben der vorgelegten Bewilligung des Eigentümers von FlSt ... auch eine Bewilligung des Eigentümers von FlSt .../X für erforderlich gehalten und, weil diese nicht beigebracht wurde, den Antrag mit Beschluss vom 11.10.2016 zurückgewiesen. Es hat es nicht für nachgewiesen erachtet, dass das FlSt .../X vom Ausübungsbereich des Rechts nicht erfasst sei. Der Ausübungsbereich des Geh- und Fahrtrechts könne mangels Planbeilage bei der Bestellungsurkunde und wegen unklarer Beschreibung als "in der Natur bereits angelegte Fahrt" nicht eindeutig festgestellt werden. Deshalb komme eine lastenfreie Abschreibung des Erbbaugrundstücks nicht in Betracht.

Hiergegen richtet sich die notariell eingelegte Beschwerde. Sie macht geltend, das erstrangig eingetragene Geh- und Fahrtrecht sei am abgeschriebenen Grundstücksteil (FlSt .../X) erloschen, und nimmt zum Nachweis hierfür unter anderem Bezug auf folgende dem Grundbuchamt im Original vorliegenden und der Beschwerde in Ablichtung beigefügten Unterlagen:

- Kartenbeilage zu VN Nr. .../...

- vom zuständigen Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung am 15.7.2016 erstellter, mit Siegel und Unterschrift versehener Auszug aus dem Liegenschaftskataster (Maßstab 1 : 1000), in dem in roter Farbe der Grundriss des FlSt ..., wie er im Zeitpunkt der Eintragung des Geh- und Fahrtrechts bestanden hat, gekennz...

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