Leitsatz (amtlich)

Die Kombination einer "Schlusserbeneinsetzung" mit Einräumung einer Abänderungsbefugnis zugunsten des überlebenden Ehegatten bei ausdrücklicher Anordnung der Wechselbezüglich- keit der Verfügungen können Anhaltspunkte dafür sein, dass die Ehegatten die Formulierung "für den Fall gleichzeitigen Versterbens" nicht im Wortsinn verwendet haben, sondern den Fall des zeitlich nacheinander Versterben geregelt haben (im Anschluss an OLG München NJW-RR 2011, 44).

 

Normenkette

BGB §§ 2265, 2269-2270

 

Verfahrensgang

AG Rosenheim (Beschluss vom 05.04.2013; Aktenzeichen VI 0047/13)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Rosenheim vom 5.4.2013 wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Die am 23.12.2012 im Alter von 87 Jahren verstorbene Erblasserin war verheiratet mit F. K., der am 11.1.2009 verstorben ist. Aus der Ehe gingen keine gemeinsamen Kinder hervor. Der Beteiligte zu 1 ist der Sohn des Ehemanns der Erblasserin.

Es liegt ein von der Erblasserin geschriebenes und von ihrem Ehemann unterschriebenes gemeinschaftliches Testament vom 1.2.1990 vor, das folgenden Inhalt hat:

"Gemeinschaftliches Testament.

Ich H. K. geborene S. bin am 13.11.1925 in G. geboren.

Ich F. K., bin am 21.2.1930 in Z./O. geboren.

Wir sind miteinander verheiratet und wohnen in (Adresse).

Aus unserer Ehe sind keine gemeinschaftlichen Kinder hervorgegangen.

Wir leben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

In der freien Verfügung über unser Vermögen sind wir beide in keiner Weise beschränkt weder durch einen Erbvertrag noch durch ein gemeinschaftliches Testament. Vorsorglich wiederrufen wir alle etwa vorhandenen früheren Verfügungen von Todes wegen. Wir setzen uns hiermit gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Der überlebende Teil wird in keiner Weise beschränkt oder beschwert. Er kann über das beiderseitige Vermögen in jeder Weise frei verfügen.

Für den Fall des gleichzeitigen Versterbens bestimmen wir hiermit als unseren Schlusserben: J. K. (= Beteiligter zu 1) geb. am (...) in (...), wohnhaft in (...).

Sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen sind wechselbezüglich. Sie können daher nur gemeinschaftlich geändert oder durch Widerruf beseitigt werden.

Nach dem Tode eines Teils von uns soll aber der überlebende Teil berechtigt sein, einseitig dieses Testament zu ändern.

(Ort und Datum) (Unterschrift der Erblasserin) Das vorstehende Testament soll auch als mein Testament gelten (Ort und Datum) (Unterschrift des Ehemanns der Erblasserin)."

Mit Beschluss vom 16.1.2013 bestellte das Nachlassgericht Rechtsanwalt F. zum Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben. Unter der Darlegung mit Beweisantritt, es sei Wille der Ehegatten gewesen, dass er sie letztendlich beerbe, beantragte der Beteiligte zu 1 am 21.2.2013 einen Erbschein, der bezeuge, dass er Alleinerbe der Erblasserin sei. Das Nachlassgericht erteilte am 8.3.2013 den beantragten Erbschein und hob mit Beschluss vom 28.3.2013 die Nachlasspflegschaft auf.

Unter Bezugnahme auf Äußerungen der Betreuerin der Erblasserin meldete der Nachlasspfleger Zweifel an der Erbberechtigung des Beschwerdeführers an. Demnach habe sich der Beschwerdeführer, als sich der Ehemann im Krankenhaus befunden habe, "sehr schlecht" gegenüber der Erblasserin benommen. Diese habe immer gesagt, der "S. bekommt gar nichts, lieber schenke ich alles der Gemeinde". Nach Angaben der Betreuerin hätten die Ehegatten ihr gemeinsames Testament ändern wollen; der Ehemann der Erblasserin hätte den Beschwerdeführer aus dem Testament streichen wollen, was mehrere namentlich benannte Zeugen bestätigten könnten.

Daraufhin ordnete das Nachlassgericht mit Beschluss vom 5.4.2013 die Einziehung des Erbscheins mit der Begründung an, dass die nachträglich durch den Nachlasspfleger mitgeteilten Tatsachen der vom Gericht vorgenommenen Auslegung des Testaments die Grundlage entzögen. Es stehe damit fest, dass die Angaben des Antragstellers über den Erblasserwillen im Wesentlichen unrichtig gewesen seien. Zugleich ordnete das Nachlassgericht erneut Nachlasspflegschaft an und bestellte Rechtsanwalt F. wieder als Nachlasspfleger.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Einziehung des am 8.3.2013 erteilten Alleinerbscheins zugunsten des Beteiligten zu 1 vorliegen.

1. Die Erbfolge nach der Erblasserin bestimmt sich entgegen der Meinung des Nachlassgerichts (weiterhin) nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 1.2.1990.

a) Das gemeinschaftliche Testament ist insofern auslegungsbedürftig, da die Eheleute keine ausdrückliche Regelung für den Fall getroffen haben, dass die Ehegatten im zeitlichen Abstand versterben. Der Beschwerdeführer sollte nach dem Wortlaut des Testaments im Fall des gleichzeitigen Versterbens "Schlusserbe" sein. Eine solche Erbenstellung ist aber nur dann gegeben, wenn der vorversterbende Ehegatte zunächst durch den anderen beerbt wird und bei dessen A...

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