Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirkung der Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Umfang der Wirkung einer erfolgreichen Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments im Hinblick auf die Wirksamkeit früherer Verfügungen von Todes wegen.

2. War die Erbeinsetzung eines Ehegatten als Alleinerbe durch den anderen wechselbezüglich zur Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder durch ihn, führt die Beseitigung dieser (wechselbezüglichen) Schlusserbeneinsetzung durch wirksame Anfechtung gemäß § 2079 BGB dazu, dass nach § 2270 Abs. 1 BGB auch die Einsetzung des anfechtenden Ehegatten als Alleinerbe nichtig ist.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2247 Abs. 1, § 2270 Abs. 3, § 2361

 

Verfahrensgang

AG München (Entscheidung vom 05.08.2016; Aktenzeichen 60 VI 13107/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Nachlassgericht - vom 05.08.2016 wird zurückgewiesen.

2. Die Anschlussbeschwerde vom 30.11.2016 wird zurückgewiesen.

3. Von den gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer 95%, die Anschlussbeschwerdeführer 5%.

4. Der Beschwerdeführer hat die den Beteiligten zu 2 und 3 erwachsenen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu 95% zu erstatten, im Übrigen tragen die Beteiligten die außergerichtlichen Kosten der Beschwerde und der Anschlussbeschwerde jeweils selbst.

5. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 115.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Erblasserin ist am ...2009 verstorben. Der Beteiligte zu 1 war ihr Ehemann, die Beteiligten zu 2 und 3 die gemeinsamen Kinder.

Die Erblasserin hatte mit dem Beteiligten zu 1 zwei gemeinschaftliche Testamente errichtet. Im Testament vom 8.6.1999 setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein. In dem Testament vom ...2009 setzten sich die Ehegatten ebenfalls gegenseitig zu Alleinerben ein und beriefen die gemeinsamen Söhne zu Erben des Letztversterbenden.

Nach dem Tod seiner Ehefrau ging der Beteiligte zu 1 am 23.12.2015 eine eingetragene Partnerschaft ein, in deren Folge er mit notarieller Urkunde vom 8.1.2016 die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 aus dem Testament vom ...2009 wegen Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten angefochten hat.

In dieser Urkunde heißt es auszugsweise:

"Mit wirksamer Anfechtung der Schlusserbeneinsetzung der Kinder in dem gemeinschaftlichen Testament entfallen auch sämtliche letztwilligen Verfügungen von Todes wegen, die hierzu wechselbezüglich sind. Wechselbezüglichkeit liegt vor, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen Verfügung stehen oder fallen soll. Steht die Schlusserbeneinsetzung der Kinder im Verhältnis zur Erbeinsetzung von Herrn B. durch seine Ehefrau im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit, entfällt bei Wirksamkeit der Anfechtung auch die Erbeinsetzung von Herrn W. B. durch seine verstorbene Ehefrau und damit dessen Alleinerbenstellung. Liegt keine anderweitige letztwillige Verfügung der Ehefrau vor, tritt (rückwirkend) auf den Todestag gesetzliche Erbfolge ein, was eine Erbengemeinschaft von Herrn W. B. mit seinen beiden Kindern zu Folge hat."

Am 4.4.2016 erteilte das Nachlassgericht einen Erbschein, der den Beschwerdeführer zu 1/2, die Beteiligten zu 2 und 3 als Erben zu je 1/4 ausweist.

Mit Schriftsatz vom 4.5.2016 erklärte der Beschwerdeführer die Anfechtung seiner Anfechtungserklärung vom 8.1.2016 gegenüber dem Nachlassgericht. Er meint, dadurch sei der Erbschein vom 4.4.2016 unrichtig geworden und regt dessen Einziehung an.

Das Nachlassgericht hat den Erbschein nicht eingezogen, dagegen richtet sich die Beschwerde.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Der Senat teilt die Ansicht des Nachlassgerichts, dass die Voraussetzungen für die Einziehung des Erbscheins gemäß § 2361 BGB nicht vorliegen.

Eine Anweisung gegenüber dem Nachlassgericht, den erteilten Erbschein einzuziehen (§ 2361 BGB), kommt nicht in Betracht, da der erteilte Erbschein nicht unrichtig ist. Die Einziehung hätte dann zu erfolgen, wenn das Gericht das bezeugte Erbrecht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr als gegeben ansieht, wobei bloße Zweifel nicht genügen (Palandt/Weidlich BGB, 76. Auflage ≪2017 ≫§ 2362 Rn. 9). Das Nachlassgericht muss sich dabei in die Lage versetzen, als hätte es den Erbschein erstmals zu erteilen (Palandt/Weidlich a.a.O.).

1. Der Beschwerdeführer hat das Testament vom ...2009 wirksam gemäß § 2079 BGB angefochten, sofern er darin die Beteiligten zu 2 und 3, seine Söhne, zu seinen Schlusserben eingesetzt hat, denn nach allgemeiner Ansicht kann der überlebende Ehegatte nach dem Eingehen einer neuen Ehe bzw. Lebenspartnerschaft seine eigenen, in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten entsprechend §§ 2281 ff. B...

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