Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Veräußert ein Wohnungseigentümer, dem mehrere Wohnungen gehören, einzelne davon, kommt es bei Geltung des gesetzlichen Kopfprinzips zu einer Vermehrung der Stimmrechte (wie BayObLG ZMR 2002, 527).

  • 2.

    Ein Stimmrechtsausschluss kann nicht allein aus dem Umstand abgeleitet werden, dass Wohnungseigentum an nahe Angehörige mit dem Ziel übertragen wird, sich weitere Stimmrechte in der Eigentümerversammlung zu sichern. Maßgeblich ist vielmehr, ob in der Ausnutzung der Stimmenmehrheit ein Rechtsmissbrauch zulasten der Minderheit liegt. Solcherart zustande gekommene Beschlüsse sind auf Antrag für ungültig zu erklären.

  • 3.

    Ein Beschluss, durch den eine Mehrzahl von Personen oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Verwalter bestellt wird, ist nichtig (BGH ZMR 2006, 375).

 

Verfahrensgang

LG Coburg (Entscheidung vom 22.03.2006; Aktenzeichen 41 T 64/05)

AG Kronach (Aktenzeichen UR II 9/04)

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der Antragstellerin errichtet wurde. Die beiden weiteren Beteiligten sind als "Hausverwaltung" bestellt. Die Teilungserklärung vom 6.4.1992 in der Fassung vom 1.7.1992 weist eine Aufteilung in insgesamt zehn Miteigentumsanteile auf, wobei sechs Miteigentumsanteile mit dem Sondereigentum an einer Wohnung und vier Miteigentumsanteile mit dem Sondereigentum an einem Hobbyraum verbunden sind. Weiterhin bestimmt die in der Teilungserklärung unter III. enthaltene Gemeinschaftsordnung (GO) in § 8:

Eigentümerversammlung

"In der Eigentümerversammlung hat jeder Eigentümer einer Sondereigentumseinheit eine Stimme. Steht eine Eigentumseinheit mehreren Personen zu, so können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben."

Mit Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 3.8.1998 (2Z BR 74/98 = ZMR 1998, 797) wurde festgestellt, dass diese Regelung so auszulegen ist, dass jeder Wohnungs- und Teileigentümer der Wohnanlage bei Abstimmungen eine Stimme hat, gleichgültig wie viele Sondereigentumsrechte ihm zustehen (so genanntes Kopfstimmrecht).

Gemäß Vertrag vom 19.11.1998 erwarb der Antragsgegner zu 5 (Geschäftsführer der Antragstellerin) von der Antragstellerin das Teileigentum am Hobbyraum Nr. 10, die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 11.12.1998.

Mit Überlassungsverträgen vom 1.12.1998 überließ die Antragstellerin zudem an den Antragsgegner zu 7 (Schwiegersohn des Geschäftsführers) sowie an die Antragsgegnerin zu 6 (Tochter des Geschäftsführers) das Teileigentum an den Hobbyräumen Nr. 7 bzw. Nr. 9. Der Eigentumsübergang wurde in das Grundbuch eingetragen.

Am 17.6.2004 fand eine Eigentümerversammlung statt. Die Eigentumsverhältnisse stellten sich zu diesem Zeitpunkt wie folgt dar:

Wohnung 1

87,03 qm

183,61/1.000stel

Antragsgegner zu 1

Wohnung 2

63,50 qm

133,95/1.000stel

Antragsgegner zu 2

Wohnung 3

87,59 qm

184,77/1.000stel

Antragsgegnerin zu 3

Wohnung 4

75,82 qm

159,93/1.000stel

Antragsgegnerin zu 4

Wohnung 5

69,57 qm

147,73/1.000stel

Antragstellerin

Wohnung 6

76,31 qm

160,01/1.000stel

Antragstellerin

Hobbyraum 7

10,04 qm

6,805/1.000stel

Antragsgegnerin zu 6

Hobbyraum 8

12,11 qm

8,208/1.000stel

Antragsgegner zu 2

Hobbyraum 9

9,44 qm

6,398/1.000stel

Antragsgegner zu 7

Hobbyraum 10

12,67 qm

8,589/1.000stel

Antragsgegner zu 5

Zu der Eigentümerversammlung erschienen die Antragsgegner zu 1 bis 3 sowie zu 5 persönlich, letzterer zugleich als gesetzlicher Vertreter der Antragstellerin. Dieser übergab zu Beginn der Versammlung an den Versammlungsleiter auf ihn ausgestellte Vollmachten der Antragsgegnerin zu 4 (seiner Lebensgefährtin) sowie der Antragsgegnerin zu 6 (Tochter) und des Antragsgegners zu 7 (Schwiegersohn). Im Laufe der Eigentümerversammlung wurden laut Niederschrift u.a. folgende Beschlüsse gefasst:

- TOP 5:

Der Verwalter wird für das Wirtschaftsjahr 2003/2004 entlastet.

- TOP 6:

Der Verwaltervertrag wird unter Erhöhung des Honorars auf 15,50 EUR monatlich pro Wohneinheit bis zum 31.1.2008 verlängert.

- TOP 7 a:

Der Reinigungsdienst K. wird weiterbeschäftigt.

- TOP 7 b:

Ein (genauer spezifizierter) Antrag der Antragstellerin hinsichtlich der Fahrzeugstellplätze wird abgelehnt.

- TOP 7 c:

Rückständige Beiträge des Antragsgegners zu 5 werden eingeklagt, falls diese nicht binnen zwei Wochen bezahlt werden.

Die Anträge wurden jeweils mit drei (Stimmen der Antragsgegner zu 1 bis 3) zu zwei Stimmen (Stimmen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 4) angenommen bzw. abgelehnt. Die für die Antragsgegner zu 5 bis 7 abgegebenen Stimmen wurden bei der Abstimmung jeweils nicht mitgezählt. Zur Begründung wurde angeführt, dass diesen Antragsgegnern die Eigentumsrechte nur zum Schein übertragen worden seien.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die zu TOP 5, 6 und 7 a, b sowie c gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären,

hilfsweise

deren Nichtigkeit festzustellen.

Sie ist der Ansicht, die von ihrem Geschäftsführer abgegebenen weiteren drei Stimmen seien zu Unrecht nicht mitgezählt worden. Bei Berücksichtigung dieser Stimmen ...

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