Leitsatz (amtlich)

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts nach § 828 Abs. 2 ZPO ist nicht die Antragstellung, sondern der durch die erste Vollstreckungshandlung gekennzeichnete Beginn der Zwangsvollstreckung. Das ist im Falle eines Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Erlass des gerichtlichen Beschlusses.

 

Normenkette

ZPO § 828 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 1531 M 20229/10)

AG Rosenheim (Aktenzeichen 702 M 34210/09)

 

Tenor

Zuständig ist das AG München.

 

Gründe

1. Die beteiligten AG als Vollstreckungsgerichte haben sich jeweils zur Entscheidung über den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses für unzuständig erklärt und das Verfahren an das jeweils andere Gericht "verwiesen". Über den negativen Kompetenzkonflikt entscheidet nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO der Senat.

2. Zuständig ist das AG München.

a) Für eine "Verweisung" (§ 281 ZPO) ist in Vollstreckungsverfahren, die § 828 ZPO unterfallen, kein Raum (§ 828 Abs. 3 ZPO; OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 929). Der Sache nach handelt es sich bei den "Verweisungen" des AG Rosenheim und des AG München jeweils um nicht bindende Abgaben.

b) Nach § 828 Abs. 2 ZPO ist das AG als Vollstreckungsgericht zuständig, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) hat. Der Schuldner hat seinen Wohnsitz in Kirchheim bei München im Bezirk im AG München. Dort wurde ihm der Titel, aus dem vollstreckt werden soll, am 9.4.2010 zugestellt. Dass der Gläubiger zunächst die frühere Anschrift des Schuldners aus dem Vollstreckungsbescheid vom 19.2.2008 angegeben hatte, hat die Zuständigkeit des angegangenen AG Rosenheim nicht begründet. Dabei kann offen bleiben, ob der Schuldner seinen Wohnsitz vor oder nach dem Eingang des Pfändungsantrags beim AG Rosenheim verlegt hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts nach § 828 Abs. 2 ZPO ist nicht die Antragstellung, sondern der durch die erste Vollstreckungshandlung gekennzeichnete Beginn der Zwangsvollstreckung, d.h. hier der Erlass des gerichtlichen Pfändungsbeschlusses (vgl. Stöber Forderungspfändung 15. Aufl. Rz. 453, 712; Wieczorek/Schütze/Lüke ZPO, 3. Aufl., § 828 Rz. 17; Münzberg in Stein/Jonas ZPO, 22. Aufl. vor § 704 Rz. 112; Brehm in Stein/Jonas § 828 Rz. 8; Schuschke/Walker Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 4. Aufl., § 828 ZPO Rz. 8; abweichend Tho-mas/Putzo/Hüsstege ZPO, 30. Aufl., § 828 Rz. 3, wo unter Hinweis auf OLG Karlsruhe JurBüro 2005, 553 auf die Antragstellung abgestellt wird; OLG Karlsruhe hat jedoch fälschlich den Beginn der Zwangsvollstreckung mit der Antragstellung gleichgesetzt, vgl. auch Thoma/Putzo/Hüsstege Vorbem. § 704 Rz. 28).

c) Der vorliegende Bestimmungsbeschluss des Senats gilt nur, solange der Schuldner seinen Wohnsitz im Bezirk des AG München hat. Im Falle einer Wohnsitzverlegung in einen anderen Gerichtsbezirk, bevor das AG München den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen hat, ist das AG München zur Abgabe an das dann zuständige AG befugt. Mit Erlass (nicht erst mit Zustellung, vgl. BGHZ 25, 60; RGZ 12, 379; 65, 376; 67, 311) des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses tritt eine Zuständigkeitsverfestigung in der Weise ein, dass ein nachfolgender Wohnsitzwechsel des Schuldners die einmal begründete Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts für weitere gerichtliche Handlungen im selben Vollstreckungsverfahrens unberührt lässt (vgl. BGH Rpfleger 1990, 308; anders aber, wenn es sich um ein neues, selbständiges Zwangsvollstreckungsverfahren handelt, vgl. OLG Karlsruhe JurBüro 2005, 553; Zöller/Stöber ZPO, 28. Aufl., § 828 Rz. 2).

Eine Anhörung des Schuldners im Bestimmungsverfahren unterbleibt (§ 834 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2350807

JurBüro 2010, 497

MDR 2010, 1218

Rpfleger 2011, 39

FoVo 2011, 56

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