Leitsatz (amtlich)

1. Noterbrecht nach griechischem Recht des einzigen Sohnes eines in Deutschland ansässigen und verstorbenen Auslandsgriechen.

2. Die Rückkehr nach Griechenland zur Ableistung des Wehrdienstes stellt jedenfalls dann eine Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland dar, wenn der Wehrpflichtige seinen Hausstand auflöst und die gesamte Familie nach Griechenland umzieht.

 

Normenkette

BGB § 7; EGBGB Art. 25; ZGB (Griechenland) Art. 28; ZGB (Griechenland) Art. 51; ZGB (Griechenland) Art. 1825; Gesetz 1738/1987 (Griechenland) Art. 21

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 29.01.2010; Aktenzeichen 69 VI 13111/09)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des AG München vom 29.1.2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und hat die dem Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.

 

Gründe

I. Der am 6.10.2009 verstorbene Erblasser war griechischer Staatsangehöriger und geschieden. Die Beteiligte zu 1 war die Lebensgefährtin des Erblassers, der Beteiligte zu 2 sein Sohn und einziges Kind. Der Erblasser errichtete am 29.3.1999 ein handschriftliches Testament, in dem er die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin einsetzte.

Der Erblasser war Ende der 70er Jahre zum Zwecke des Hochschulstudiums erstmals nach Deutschland gezogen. Während des Studiums heiratete der Erblasser die Mutter des Beteiligten zu 2. Der Erblasser wohnte mit seiner Familie während des Studiums in der D.-Straße in M.. Im Zeitraum vom 7.4.1985 bis zum 31.7.1987 leistete der Erblasser seinen Militärdienst in Griechenland ab. Der Erblasser verbrachte seine Ehefrau und Sohn nach Griechenland, um - gemäß den Angaben der Beteiligten zu 1 - nach Ableistung seines Militärdienstes nach Deutschland alleine zurückzukehren. Wenige Monate nach der Einberufung des Erblassers löste die damalige Ehefrau des Erblassers die von der Familie bewohnte Wohnung in M. auf und zog nach Veria (Griechenland). Nach Ableistung des Militärdienstes zog der Erblasser wieder in das Bundesgebiet, wo er zunächst bei Verwandten in M. (K.-Straße) allein wohnte. Nachdem seine Ehefrau ebenfalls kurz darauf in das Bundesgebiet zurückgekehrt war, zogen beide zu einem Freund des Erblassers in M. (D.-Straße) und - nachdem auch der Sohn mittlerweile zurückgekehrt war - Anfang 1988 in einer von der Familie gemeinsam bewohnten Wohnung in der T. Landstraße in M.

Am 22.1.2010 beantragte der Beteiligte zu 2 formgerecht die Erteilung eines Erbscheins in Anwendung griechischen Rechts, welcher die Beteiligten zu 1 und 2 als Miterben zu je ½ ausweisen soll. Ihm stünde als einzigen gesetzlichen Erben nach griechischem Recht ein Pflichtteilsrecht in Form eines Noterbrechts von der Hälfte des Nachlasses zu. Dieses Noterbrecht gelte auch bezüglich des nicht in Griechenland belegenden Vermögens. Art. 21 des Gesetzes Nr. 1738/1987, wonach das Noterbrecht eines Pflichtteilsberechtigten bezüglich des im Ausland belegenen Vermögens keine Anwendung findet, gelte vorliegend nicht, da der Erblasser entgegen der Voraussetzung des Gesetzes vor seinem Tod nicht 25 Jahre lang ununterbrochen seinen Wohnsitz im Ausland gehabt habe.

Die Beteiligte zu 1 ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten und hat selbst formlos einen Erbschein beantragt, welcher sie als Alleinerbin des im Inland befindlichen Vermögens ausweist. Sie ist der Meinung, dass der Erblasser seit 1976 ununterbrochen nicht mehr in Griechenland gelebt hat. Dies habe zur Folge, dass kein Noterbrecht des Pflichtteilsberechtigten bezüglich des nicht in Griechenland belegenden Vermögens bestehe. Der Erblasser habe bereits vor Ableistung seines Wehrdienstes beabsichtigt, erneut in das Bundesgebiet zurückzukehren. Er habe sich zwangsweise zur Ableistung des Militärdienstes in Griechenland aufgehalten; die Voraussetzungen des Art. 21 des Gesetzes Nr. 1738/1987 lägen vor.

Mit Beschluss vom 29.1.2010 wies das AG München den Erbscheinsan-trag der Beteiligten zu 1 zurück und bewilligte auf Antrag des Beteiligten zu 2 einen Erbschein, der die Beteiligten zu 1 und 2 in Anwendung griechischen Rechts als Miterben zu je ½ ausweist. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1.

II. Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Zu Recht ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2 zu entsprechen ist.

1. Die Erbfolge nach dem griechischen Erblasser richtet sich nach griechischem Recht (Art. 25 Abs. 1 EGBGB). Ein Renvoi (Art. 4 Abs. 1 EGBGB) findet nicht statt, da das griechische Kollisionsrecht ebenfalls auf das Heimatrecht des Erblassers verweist (Art. 28 ZGB). Nach griechischem Erbrecht steht dem Beteiligten zu 2 als einzigem Kind des geschiedenen Erblassers ein Pflichtteilsrecht i.H.v. ½ zu (§ 1825 Abs. 1 ZGB). Dieses Pflichtteilsrecht ist nach griechischem Recht als echtes Erbrecht (Noterbrecht oder Pflichterbrecht...

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