Leitsatz (amtlich)

1. Zum Umfang einer sog. Nachlassvollmacht.

2. Die Auslegung einer ausdrücklich als Nachlassvollmacht bezeichneten Vollmacht kann ergeben, dass diese sich auch auf ein zum Nachlass gehörendes Grundstück erstreckt, das neben anderen aufgezählten Nachlassgegenständen nicht gesondert aufgeführt wird.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 167

 

Verfahrensgang

AG Rosenheim (Aktenzeichen Grundbuchamt - Prien, Blatt 8024)

 

Tenor

Die Zwischenverfügung des AG Rosenheim - Grundbuchamt - vom 19.8.2011 wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1 wurde am 11.8.2011 als Erbe seiner Mutter im Wege der Grundbuchberichtigung als Eigentümer von Grundbesitz eingetragen. Bereits mit notarieller Urkunde vom 1.8.2011 hatte er diesen Grundbesitz an die Beteiligten zu 2 und 3 veräußert und die Eintragung einer Eigentumsvormerkung bewilligt. Der im Ausland ansässige Beteiligte zu 1 handelte dabei nicht selbst, sondern wurde vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M., der eine notariell beurkundete "Nachlassvollmacht" vom 19.7.2011 vorlegte. Diese hat, soweit hier erheblich, folgenden Wortlaut:

I. Ich, (Beteiligter zu 1), bin Alleinerbe am Nachlass meiner Mutter, Frau ...

In den Nachlass fällt neben Guthaben bei Banken und Wertpapieren auch folgender Grundbesitz:

1. AG R., Grundbuch von ...

a) ...

b) ...

c) ...

2. AG N., Grundbuch von ...

Insbesondere folgende Nachlasskonten sind bekannt:

...

sowie ein Bausparvertrag bei der W. Bausparkasse.

II. Ich,..., bevollmächtige hiermit

Herrn Rechtsanwalt Dr. M.,

... mich in Bezug auf den in Abschnitt I. dieser Urkunde bezeichneten Nachlass in allen gesetzlich zulässigen Fällen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.

Der Bevollmächtigte ist hierbei berechtigt, in Bezug auf den oben bezeichneten Nachlass alle Rechtsgeschäfte und alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die von mir und mir gegenüber nach den gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen werden können und bei denen das Gesetz eine Vertretung gestattet.

III. Insbesondere ist im Rahmen dieser Vollmacht der Bevollmächtigte berechtigt,

1. den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz ganz oder teilsweise zu verkaufen, ...

Unter dem 3.8.2011 hat der Notar gem. § 15 GBO u.a. die Eintragung der Vormerkung beantragt.

Mit Zwischenverfügung vom 19.8.2011 hat das Grundbuchamt Frist zur Behebung folgenden Hindernisses gesetzt:

Die Nachlassvollmacht beziehe sich ausdrücklich nur auf den in Abschnitt I. der Urkunde bezeichneten Nachlass. Dort sei jedoch der vertragsgegenständliche Grundbesitz nicht mit aufgeführt. Aus der Urkunde ergebe sich nicht, dass sich die Vollmacht in jedem Fall auf den gesamten Nachlass beziehen solle, sondern es werde mehrfach auf den "oben bezeichneten" bzw. "vorgenannten" Nachlass Bezug genommen.

Gegen diese Zwischenverfügung hat der Notar für die Beteiligten Beschwerde eingelegt und sich gegen die vom Grundbuchamt vorgenommene Vollmachtsauslegung gewandt. Zwar werde in Abschnitt II. auf den in Abschnitt I. bezeichneten Nachlass Bezug genommen. In Abschnitt I. sei der gegenständliche Grundbesitz nicht ausdrücklich genannt. Hieraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass sich die Vollmacht ausschließlich auf die in Abschnitt I. genannten Nachlassgegenstände beziehen solle. Ein Nachlass als Sachgesamtheit werde nicht durch einzelne Nachlassgegenstände definiert und bezeichnet, sondern, wie in Abschnitt I. geschehen, durch die Person des Erblassers. Die daran anschließende Aufzählung einzelner Nachlassgegenstände habe lediglich beispielhaften Charakter im Sinn einer Wissenserklärung. Der Umfang der Vollmacht werde dadurch nicht eingeschränkt. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut von Abschnitt I. Daraus werde deutlich, dass die dortige Aufzählung nur beispielhaften Charakter habe, da sich der Vollmachtgeber über die Zusammensetzung des Nachlasses im Einzelnen offensichtlich im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht noch nicht im Klaren gewesen sei. Dem Bevollmächtigten werde Vollmacht erteilt, über den "Nachlass", nicht etwa über bestimmte Nachlassgegenstände zu verfügen. Nur wenn man den Gegenstand der Vollmacht als eine Sachgesamtheit begreife, ergebe die Bezugnahme auf den Nachlass in Abschnitt I. einen Sinn. Hätte der Vollmachtgeber tatsächlich nur eine Spezialvollmacht zur Verfügung über die ausdrücklich genannten Grundstücke und Konten erteilen wollen, würde deren Herkunft als Bestandteile eines bestimmten Nachlasses keine Rolle spielen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.1. Die namens sämtlicher Beteiligter eingelegte Beschwerde (§ 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1, § 73 Abs. 1 und 2, § 15 Abs. 2 GBO) gegen die Zwischenverfügung ist nach der FGG-Reform weiterhin statthaft (vgl. OLG Hamm MittBayNot 2011, 299 [300]) und auch im Übrigen zulässig.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Die Vollmacht bezieht sich auf den gesamten Nachlass, also auch auf das in der Urkunde nicht ausdrücklich genannte gegenständliche Grundstück. Das ergibt die auch im Grundbuchrecht gebotene Auslegung am Maßstab des § 133 BGB.

Nach § 167 BGB erteilte Vo...

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