Leitsatz (amtlich)

1. Kommen zwei alternative Abstammungsstatute in Betracht, aufgrund derer das Kind zwei Väter im Rechtssinne hat, gilt für den Eintrag des Vaters des Kindes in das Geburtenregis-ter das sog. Günstigkeitsprinzip, das am Kindeswohl ausgerichtet ist.

2. Die Bestimmung des Kindeswohls ist stets Einzelfall bezogen, so dass nicht zwingend auf diejenige Rechtsordnung abzustellen ist, die dem Kind zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Geburt) einen Vater zuordnet.

 

Normenkette

PStG § 21 Abs. 1 Nr. 4; BGB § 1592 Nr. 1; EGBGB Art. 19; CC ITA Art. 232, 250, 254

 

Verfahrensgang

AG Augsburg (Aktenzeichen 300 UR III 47/15)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 13.09.2017; Aktenzeichen XII ZB 403/16)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 4) wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.1. Am 05.07.2015 hat die italienische Staatsangehörige M. V. (= Beteiligte zu 1) die Tochter V. M., geboren, die gemäß § 4 Absatz 3 StAG deutsche Staatsangehörige ist. Die Beteiligte zu 1) hat am 30.07.2004 in Palermo die Ehe mit A. L. (= Beteiligter zu 5) geschlossen. Mit Gerichtsbeschluss des Tribunale B. G. vom 16.07.2010 wurde die einvernehmliche Trennung von Tisch und Bett der Eheleute bestätigt.

Am 11.08.2015 hat der italienische Staatsangehörige V. S. (= Beteiligter zu 2) vor dem Standesamt Donauwörth die Vaterschaft des Kindes anerkannt. Sowohl die Mutter des Kindes wie auch deren getrennt lebender Ehemann haben die Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft erteilt.

Das Kind, die Mutter und der anerkennende Vater haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet.

Die Beteiligten wünschen eine Eintragung ins Geburtenregister dahingehend, dass neben der Mutter der Beteiligte zu 2) als Vater eingetragen und der getrennt lebende Ehemann nicht erwähnt wird. Die Geburt des Kindes wurde bislang nicht beurkundet.

2. Das AG Augsburg hat mit Beschluss vom 11.11.2015 angeordnet, der anerkennende Vater kann als Vater des Kindes ohne Nennung des Ehemanns der Mutter ins Geburtenregister eingetragen werden.

Das AG hat ausgeführt, die elterliche Abstammung richte sich nach Art. 19 Absatz 1 EGBGB. Es sei sowohl italienisches Recht als Heimatrecht des Ehemannes der Mutter als auch deutsches Recht als Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, anwendbar. Nach deutschem Recht sei der Beteiligte zu 5) gemäß § 1592 Nr. 1 BGB Vater des Kindes, da er mit der Kindsmutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet gewesen sei.

Daneben komme aber auch der anerkennende Beteiligte zu 2) als Vater in Betracht. Zwar sei die Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht nicht wirksam, wohl aber nach italienischem Recht. Gemäß Art. 232 Absatz 2 Codice civile (C. c.) wird die Abstammung vom Ehemann nicht vermutet. Konstitutiv für den Status eines Kindes sei nicht die Tatsache, dass das Kind von einer verheirateten Frau geboren worden sei, sondern die Erklärung darüber vor dem Standesbeamten und die Aufnahme der Erklärung in die Geburtsurkunde. Unterbleibe diese Erklärung, so könne das Kind von einem Dritten anerkannt werden. Die Mutter habe keine Beurkundung mit dem getrennt lebenden Ehemann gewünscht, der Beteiligte zu 2) habe die Vaterschaft anerkannt, die Mutter habe der Anerkennung zugestimmt, so dass nach italienischem Recht die Vaterschaft des Beteiligten zu 2) begründet worden sei. Somit habe das Kind zunächst zwei Väter.

Unter Anwendung des sog. relativen Proritätsprinzips gelangte das AG zu dem Ergebnis, dass der Wortlaut des Art. 19 Absatz 1 EGBGB keine restriktive Auslegung dahingehend gebiete, dass dann, wenn aufgrund eines nach dieser Vorschrift anwendbaren Rechts eine Vaterschaft einmal feststehe, der Anwendungsbereich des Art. 19 Absatz 1 EGBGB erschöpft wäre. Dem Grundsatz der Abstammungswahrheit sei hier unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes der Vorzug gegenüber Statusklarheit und Rechtssicherheit einzuräumen.

Der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung stehe auch nicht deutsches Kollisionsrecht entgegen. Zwar unterliege gemäß Art. 23 EGBGB die Wirksamkeit der Abstammungserklärung zusätzlich dem Recht des Staates, dem das Kind angehöre, also deutschem Recht. Somit sei gemäß § 1599 Absatz 2 Satz 2 BGB auch die Zustimmung des Beteiligten zu 5) erforderlich. Diese liege vor. Im Rahmen einer wertenden Entscheidung zwischen den beiden konkurrierenden Vätern sei dem Beteiligten zu 2) der Vorzug zu geben. Daher sei der anerkennende Beteiligte zu 2) ins Geburtenregister einzutragen.

3. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 3) zur Herbeiführung einer obergerichtlichen Entscheidung gemäß § 53 Absatz 2 PStG mit Schriftsatz vom 26.11.2015 Beschwerde eingelegt.

II. Die zulässige Beschwerde führt zur Bestätigung der Entscheidung des AG. Das Standesamt Donauwörth hat den Beteiligten zu 2) als Vater des Kindes ohne Nennung des mit der Mutter noch verheirateten Ehemanns ins Geburtenregister einzutragen.

1. Da das betroffene Kind, seine Mutter und der Mann, der die Vaterschaft zu dem...

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