Leitsatz (amtlich)

1. Den Nachweis einer nach Art. II des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl. 1961 II S. 122 - UN-Ü) wirksamen Schiedsabrede hat die die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs betreibende Partei zu erbringen (wie BayObLG vom 12.12.2002 - 4Z Sch 16/02 = BayObLGZ 2002, 392).

2. Kann nicht nachgewiesen werden, dass sich eine Partei durch "schriftliche Vereinbarung" i.S.v. Art. II Abs. 2 UN-Ü der schiedsrichterlichen Entscheidung unterworfen hat, ist sie mit ihrer Einrede im inländischen Vollstreckbarerklärungsverfahren auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sie im Erlassstaat des Schiedsspruchs die dort mögliche fristgebundene Aufhebungsklage nicht betrieben hat.

 

Normenkette

UN-Ü Art. 2, 5 Abs. 1 lit. a; ZPO § 1061

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines 28.11.2007 in Kiew erlassenen Schiedsspruchs.

Am 4.11.2003 wurde ein Vertrag (Nr. 58) unterzeichnet, wonach die Antragstellerin, ein ukrainisches Unternehmen der Bekleidungsindustrie, für die Antragsgegnerin, ein in München ansässiges Textilunternehmen, aus zur Verfügung gestellten Materialien (Stoffe, Klebestoffe, Garn, Knöpfe usw.) Kleidungsstücke fertigen sollte.

Der Vertrag enthält unter Ziff. 9. ("Schiedsgericht") folgende Klausel:

9.1. Alle mit diesem Vertrag oder im Zusammenhang damit verbundenen Rechtsstreitigkeiten unterliegen der Übergabe für Untersuchung und endgültige Entscheidung dem internationalen Geschäftsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine.

Die beiden Parteien sind einstimmig, dass im Laufe der Verhandlung und Erledigung der Streitigkeiten die Geschäftsordnung des internationalen Geschäftsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine angewandt wird.

Das den Vertrag regelnde Recht ist das materielle Recht der Ukraine.

Das Schiedsgericht besteht aus einem Schiedsrichter.

Erfüllungsort ist Kiew.

Die Sprache der Gerichtsverhandlungen ist russisch oder deutsch nach der Vereinbarung der Parteien.

Nach Ziff. 10.2. sind Änderungen oder Ergänzungen zum Vertrag nur gültig, wenn sie in schriftlicher Form abgefasst und von beiden Parteien unterzeichnet sind. Unter Ziff. 10.7 ist geregelt, dass der Vertrag bis 31.12.2004 gültig sein sollte.

Für die Antragsgegnerin wurde der Vertrag von Herrn Jürgen P. unter Beifügung eines Firmenstempels unterschrieben.

In der Folge wurden - auch nach Ablauf des genannten Zeitraums - die jeweils einzeln erteilten Bestellungen der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin ausgeführt.

Wegen einer offenen Rechnung vom 23.3.2007 über 12.006,40 EUR erhob die Antragstellerin am 12.6.2007 zum Internationalen Schiedsgericht bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine in Kiew Klage und machte diese Betrag zzgl. 73,23 EUR Verzugszinsen und Kostenerstattung der Schiedsgerichtsgebühr geltend. Mit der Schiedsklage vorgelegt wurden neben dem Vertrag vom 4.11.2003 u.a. Kopien zusätzlicher "Vertragsergänzungen" vom 28.12.2004, 10.1.2006 und 29.12.2006. In deutscher Übersetzung lautet die Vertragsergänzung Nr. 5 vom 10.1.2006, die seitens der Antragsgegnerin die Unterschrift "Jürgen P." trägt:

Punkt 10.7 des vorliegenden Vertrages soll auf folgende Weise verfasst werden: "Vertragsdauer ist bis 31.12.2007". Diese Vertragsergänzung wurde in zweifacher Ausfertigung verfasst und tritt in Kraft vom Tag der Unterfertigung."

Am 28.8.2007 wurde der Antragsgegnerin die Klage übermittelt. Die Gerichtsverhandlung wurde auf den 28.11.2007 bestimmt. Am 6.11.2007 bestätigte der Beklagtenvertreter den Erhalt der Vorladung zur Gerichtsverhandlung und erklärte, dass der Vertrag Nr. 58 vom 4.11.2003 und die Anhänge zu dem Vertrag keine Rechtsgültigkeit hätten, da sie von Herrn Jürgen P. unterzeichnet worden seien, der zwar Mitarbeiter der Antragsgegnerin gewesen sei, dennoch keine entsprechende Vollmacht zur Vertretung des Beklagten gehabt habe. Mit Fax vom 15.11.2007 bestritt der Antragsgegnervertreter, dass Herr Jürgen P. die Vertragsänderungen unterschrieben hätte, die auf den Dokumenten enthaltenen Unterschriften seien Fälschungen. Weiter machte die Antragsgegnerin Mängel der Ware geltend.

An der Verhandlung vor dem Schiedsgericht nahm die Antragsgegnerin nicht teil.

Das Schiedsgericht gab mit Entscheidung vom 28.11.2007 der Klage statt. Es begründete seinen Spruch zunächst damit, dass die Behauptung zur Fälschung der Verlängerungsvereinbarungen nicht berücksichtigt werden könnten. Sie sei von keiner speziellen Begutachtung belegt. Das Vorhandensein einer Vereinbarung zur Verlängerung der Vertragsgültigkeit wäre durch faktische Handlungen der Parteien belegt, nämlich die Fortsetzung der Vertragserfüllung bis März 2007. Ein Interesse an der Vertragsverlängerung ergebe sich daraus, dass im ersten Zusammenarbeitsjahr das geplante Vertragsvolumen nicht erfüllt worden sei. Mängel habe die Antragsgegnerin nicht geltend machen können, da sie das dafür im Vertrag vorgesehene Reklamationsverfahren nicht eingeha...

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