Leitsatz (amtlich)

Ob ein über das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß hinausgehender Nachteil vorliegt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Danach richtet es sich auch, ob bei einer Verschlechterung des Trittschallschutzes die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Anforderungen erfüllt sein müssen oder ob auf die jeweiligen Normen zum Zeitpunkt der Veränderung abzustellen ist (wie OLG München, Beschl. v. 9.5.2005 - 32 Wx 030/05, OLGReport München 2005, 405).

 

Normenkette

WEG § 14 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 02.05.2005; Aktenzeichen 1 T 1155/05)

AG München (Aktenzeichen 482 UR II 109/04)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG München I vom 2.5.2005 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG München I zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage. Die Antragstellerin ist Sondereigentümerin einer im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung. Die Antragsgegner sind Sondereigentümer der darüber liegenden Wohnung im zweiten Obergeschoss.

Zum Zeitpunkt der Errichtung im Jahr 1972 waren die Wohnräume, Esszimmer und Flure mit Textilbelag ausgestattet. Der Estrich ist direkt auf der Betondecke aufgebracht. Die Antragsgegner ersetzten im Essraum und im Flur ihrer Wohnung (Räume 2 und 6) den Teppichboden im Jahr 1979 durch PVC-Belag. Diesen wiederum ersetzten sie im Dezember 2001 durch Fertigparkett.

Die Antragstellerin macht geltend, der neue Bodenbelag führe zu einer nicht hinnehmbaren Lärmbelästigung. Sie hat beim AG beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die Trittschallübertragung aus ihrer Wohnung gem. DIN 4109 (Ausgabe 11. 89) auf ein Maß von 21 dB zu verbessern.

Nach Erholung eines Sachverständigengutachtens hat das AG mit Beschl. v. 25.11.2004 die Antragsgegner samtverbindlich verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die Trittschalldämmung der Böden in den Räumen 2 und 6 ihrer Wohnung einen Wert von 50 dB nicht übersteigt. Auf sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das LG durch Beschl. v. 2.5.2005 die erstgerichtliche Entscheidung aufgehoben und den Antrag insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II. Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Das LG hat ausgeführt: Der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf Verbesserung des Trittschallschutzes nicht zu, da die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Werte nach den von der Sachverständigen vorgenommenen Messungen eingehalten seien. Der innerhalb des Sondereigentums auf dem Estrich verlegte Bodenbelag stehe im Sondereigentum des jeweiligen Wohnungseigentümers. Dieser sei nach § 13 Abs. 1 WEG befugt, ihn nach Belieben zu ersetzen, sofern keinem anderen Wohnungseigentümer hierdurch ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil entstehe. Beeinträchtigungen, die sich im Rahmen der einschlägigen öffentlich-rechtlichen DIN-Normen bewegten, überschritten das Maß des § 14 Nr. 1 WEG in der Regel nicht. Ausgangspunkt der Überlegungen sei zwar die tatsächliche Verschlechterung des Schallschutzes. Entscheidend komme es hier aber darauf an, dass die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltende Schallschutznorm eingehalten sei. Würde man auf die DIN zum Zeitpunkt des Austauschs des Bodenbelags abstellen, hätten die Antragsgegner letztlich die Nachteile daraus zu tragen, dass das Gemeinschaftseigentum nicht den derzeitigen Schallschutzerfordernissen entspreche.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Das LG hat die übrigen Wohnungseigentümer nicht am Verfahren beteiligt. Dies ist trotz § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 WEG nicht zu beanstanden, da die übrigen Wohnungseigentümer nicht vom Verfahrensausgang betroffen sind (Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § Rz. 123). Auch der Senat hat von einer Beurteilung der übrigen Wohnungseigentümer abgesehen.

b) Zutreffend geht das LG davon aus, dass ein Anspruch nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 BGB nur besteht, wenn die Rechte der Antragstellerin über das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß hinaus beeinträchtigt werden.

c) Ob andere Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigt werden, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung und ist durch das Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachprüfbar (BayObLG WuM 2004, 733). Ein der Rechtsbeschwerde zugänglicher Rechtsfehler kann im Subsumtionsvorgang liegen, wenn die Entscheidung des Tatrichters eine durch Tatschen gestützte vollständige Abwägung der beteiligten Interessen vermissen lässt oder der Tatrichter bei der Bewertung relevanter Umstände unri...

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