Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz. sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens. Anforderungen an die Begründung der Aussetzung eines Zivilrechtsstreits im Hinblick auf ein anhängiges Strafverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beschlüsse, die der sofortigen Beschwerde unterliegen, sind grundsätzlich zu begründen; Maßstab für den Begründungsumfang ist § 313 Abs. 3 ZPO (Anschluss BGH - IVb ZB 154/82 - 13.10.1982 - NJW 1983, 123).

Das bloße Hineinkopieren von Texten, das Ankreuzen von Textbausteinen oder Verweisen auf außerhalb des geschlossenen Textkörpers liegende ergänzende, die Begründung der Entscheidung mittragende Textbestandteile eines Beschlusses u.ä. genügt für eine gerichtliche Entscheidung ausnahmslos nicht (Anschluss an OLG Hamm - 11 WF 443/92 - 21.12.1992 - FamRZ 1993, 719; OLG Frankfurt - 3 UF 202/05 - 10.10.2005 - FamRZ 2006, 274).

2. Im Falle des § 149 ZPO müssen die streitigen Umstände, auf die es im Zivilverfahren ankommt und die im Strafverfahren leichter oder einfacher geklärt werden können, konkret und eingehend herausgearbeitet werden. Eine pauschale Begründung hält sich nicht innerhalb des dem Gericht eingeräumten Ermessensspielraumes (Anschluss an OLG Düsseldorf - 4 W 34/80 - 20.06.1980 - NJW 1980, 2534). Der pauschale Hinweis auf "überlegene Erkenntnismöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden" stellt eine unzulässige Leerformel dar.

3. Bei der Abwägung im Rahmen einer beabsichtigten Aussetzung ist dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 20 Abs. 3 GG, 6 Abs. 1 EMRK besondere Beachtung zu schenken (vgl. zu Art. 6 I EMRK im Hinblick auf Aussetzungen etwa EGMR, 13. Juli 2006; NVwZ 2007, 1035 ff.).

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 20.09.2007; Aktenzeichen 25 O 17221/06)

 

Tenor

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hier: sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens

erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Doukoff als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 18.03.2008 folgenden Beschluss:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) vom 15.10.2007 wird der Aussetzungsbeschluss des LG München I vom 20.09.2007 (25 O 17221/06) aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das LG München I zurückverwiesen, soweit es den Beklagten zu 1) betrifft.

2. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.760 Euro festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. 1. Mit am 03.08.2006 zugestelltem Mahnbescheid des AG Stuttgart (Bl. 1/12 d.A.) machte der Kläger gegen den Zweitbeklagten einen Schadensersatzanspruch aus pVV eines Mittelverwendungskontrollvertrags und aus Prospekthaftung betreffend eine Zinsfondsbeteiligung vom 01.04.2004 in Höhe von 8.800 Euro zzgl. Kosten und Zinsen geltend. Nach Widerspruch (Bl. 13 d.A.) begründete der Kläger seinen Anspruch mit Schriftsatz vom 04.04.2007 (Bl. 18/79 d.A.) unter gleichzeitiger sachlicher und personeller Erweiterung (auf den jetzigen Erstbeklagten). Nach Klageerwiderungen des Erstbeklagten vom 15.05.2007 (Bl. 85/107 d.A.) und des Zweitbeklagten vom 25.06.2007 (Bl. 114/158 d.A.) sowie Einreichung weiterer beidseitiger Schriftsätze bestimmte das LG München I Haupttermin auf letztendlich den 23.10.2007 (Bl. 174/177, 180 d.A.).

2. Mit Schriftsatz vom 21.08.2007 (Bl. 186/187 d.A.) regte der Kläger eine Aussetzung des Verfahrens nach § 149 ZPO im Hinblick auf ein gegen die Beklagten bei der Staatsanwaltschaft München I geführtes Ermittlungsverfahren an. Er wiederholte seinen Antrag mit Schriftsatz vom 24.08.2007 (Bl. 188/189 d.A.).

Mit Terminsverfügung vom 30.08.2007 (Bl. 191 d.A.) kündigte das Erstgericht eine Aussetzung des Verfahrens an, wobei es zur Begründung einen durch Streichungen und handschriftliche Ergänzungen abgeänderten Beschlusstext verwendete, den der Vorsitzende der 28. Zivilkammer des LG München I in einem zwischen anderen Parteien geführten Rechtsstreit verfasst hatte.

Der Erstbeklagte trat der beabsichtigten Sachbehandlung in seinen Schriftsätzen vom 05.09.2007 (Bl. 192/197 d.A.) und vom 19.09.2007 (Bl. 216/221 d.A.) mit eingehender Begründung entgegen, ebenso der Zweitbeklagte in seinen Schriftsätzen vom 17.09.2007 (Bl. 210/215 d.A.) und vom 26.09.2007 (Bl. 222/226 d.A.), wohingegen sich der Kläger in seinem Schriftsatz vom 17.09.2007 (Bl. 178/204 d.A.) zustimmend äußerte.

3. Mit Beschluss vom 20.09.2007 (Bl. 272 d.A.) setzte das LG München I das Verfahren gemäß § 149 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens aus, wobei es in den Gründen der vom Erstrichter unterschrieben Beschlussurschrift heißt:

"- bitte einsetzen wie anliegend -"

In einem weiteren, nicht einpaginierten, aber vom Erstrichter ebenfalls unterschriebenen Beschluss vom selben Tag (nach Bl. 272 d.A.) findet sich unter einer gleichlautenden Beschlussformel eine mit der oben genannten "Musterbegründung" teilidentische Begründung ohne Sachverhaltsdarstellung und Bezugnahme auf den Parteivortrag zur Zulässigkei...

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