Leitsatz (amtlich)

1. Einen Anspruch auf Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 2 StrEG haben nur der frühere Beschuldigte selbst und Personen, denen dieser kraft Gesetzes unterhaltspflichtig ist (§ 11 StrEG).

2. Eine Gesellschaft, die durch eine gegen ihren Gesellschafter gerichtete Strafverfolgungsmaßnahme einen Vermögensschaden erlitten hat, hat keinen entsprechenden Anspruch.

3. Ein Alleingesellschafter kann, soweit seine eigenen Rechte beeinträchtigt wurden, den durch die Einbuße am Gesellschaftsvermögen vermittelten Wertverlust in seiner Gesellschaftsbeteiligung im eigenen Namen geltend machen und hierbei aber im Regelfall nur die Zahlung an die Gesellschaft verlangen.

4. Die Rücknahme eines den Antragsteller begünstigenden rechtswidrigen Justizverwaltungsaktes im Betragsverfahren (§ 10 StrEG) kann in entsprechender Anwendung des Art. 48 BayVwVfG erfolgen.

5. Die Fristen des Art. 48 Abs. 3 Satz 5 und Abs. 4 BayVwVfG sind hierbei nicht entsprechend anwendbar, da die Regelung derartiger Fristen dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt. Die Zulässigkeit einer Rücknahme ist in zeitlicher Hinsicht nur durch den allgemeinen Grundsatz der Verwirkung eingeschränkt.

 

Normenkette

BayVwVfG Art. 48 Abs. 3 S. 5, Abs. 4; StrEG §§ 2, 11

 

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens sind Entschädigungsansprüche des Antragstellers nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz.

Die Staatsanwaltschaft München I führte gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation und des Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz. Das Amtsgericht München ordnete in diesem Verfahren mit Beschluss vom 23.1.2009 gegen den Antragsteller als Herausgeber der Zeitschrift "Zeitungszeugen" die Beschlagnahme für die in der Ausgabe Nr. 2 veröffentlichte Beilage "Völkischer Beobachter vom 1.3.1933" und für das in der Ausgabe Nr. 2 veröffentlichte Nazipropagandaplakat überschrieben mit "Der Reichstag in Flammen" an. In Vollziehung dieses Beschlusses wurden ca. 12.000 Exemplare der Beilagen, des Plakates und vollständige Exemplare der Ausgabe 2 beschlagnahmt. Auf die Beschwerde des Antragstellers hin wurde mit Beschluss des Landgerichts München I vom 17.4.2009 die Beschlagnahme aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft München I stellte mit Verfügung vom 21.7.2009 das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.

Das Amtsgericht München stellte mit Beschluss vom 4.11.2009, der seit dem 8.12.2009 rechtskräftig ist, fest, dass der Antragsteller für den erlittenen Vermögensschaden, der ihm durch die Beschlagnahme der Beilage "Völkischer Beobachter vom 1.3.1933" und des Propagandaplakates "Der Reichstag in Flammen" zur Ausgabe 2 des Magazins "Zeitungszeugen" aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts München sowie durch die über diesen Beschluss hinausgehende Beschlagnahmen vollständiger Exemplare der Ausgabe 2 des Magazins "Zeitungszeugen" im Zeitraum vom 23.1.2009 bis zum 17.4.2009 entstanden ist, dem Grunde nach aus der Staatskasse zu entschädigen ist.

Der Antragsteller machte, vertreten durch einen Rechtsanwalt, gegenüber der Staatsanwaltschaft München I einen Entschädigungsanspruch in Gesamthöhe von 3.267.390,90 € für die durchgeführten Beschlagnahmen geltend. Zur Begründung wurde vorgetragen, der Antragsteller sei Herausgeber der Zeitschrift "Zeitungszeugen".

Der Vermögensschaden des Antragstellers setze sich zusammen aus dem entgangenen Gewinn in Höhe von 3.248.701 € sowie der im Beschlagnahme- und Entschädigungsverfahren entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 18.689,90 €.

Mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 22.11.2010 reduzierte er nach Überprüfung der Geschäftsunterlagen durch einen unabhängigen und vereidigten Wirtschaftsprüfer seine Forderungen. Er bezifferte seinen entgangenen Gewinn nunmehr auf 2.620.227 € und dementsprechend die Anwaltskosten im Beschlagnahme- und Entschädigungsverfahren auf 15.905,30 €. Er trug vor, die Überprüfung seiner Geschäftsunterlagen und Rechnungen habe ergeben, dass bestimmte variable Kosten bisher für die Schadensberechnung unberücksichtigt geblieben seien. Bei deren Berücksichtigung ergebe sich der benannte geringere Schaden.

Der Generalstaatsanwalt gewährte mit Entscheidung vom 15.2.2011 (20 StEs 79/10) im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz dem Antragsteller eine Entschädigung in Höhe von 28.744,97 € und wies im Übrigen den Entschädigungsantrag zurück. Diese Entscheidung wurde dem anwaltlichen Vertreter des Antragstellers am 28.2.2011 zugestellt. Der gewährte Entschädigungsanspruch wurde dem Antragsteller bzw. seinem anwaltlichen Vertreter ausbezahlt.

Der Generalstaatsanwalt berichtigte die Entscheidung vom 15.2.2011 mit Entscheidung vom 28.2.2011 dahingehend, dass ca. 12.000 Exemplare der Beilagen, des Plakates und vollständige Exemplare der Ausgabe 2 beschlagnahmt worden waren statt im Bescheid zunächst bezifferten 120000 Exemplaren.

Mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 6.5.201...

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