Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsgebühren: Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleiches

 

Leitsatz (amtlich)

Durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren zur Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs entsteht eine 1,3 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3100 RVG-VV.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 103-104, 796a, 796b; RVG-VV Nr. 3100

 

Verfahrensgang

AG Kaufbeuren (Beschluss vom 29.06.2009; Aktenzeichen 2 F 268/09)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert der Beschwerde beträgt 625,94 EUR.

 

Gründe

I. Das AG - Familiengericht - Kaufbeuren hat mit Beschluss vom 15.5.2009 auf Antrag der Klägerin den von den Parteien abgeschossenen und niedergelegten Anwaltsvergleich für vollstreckbar erklärt. Die Kosten des Verfahrens sind der Klägerin auferlegt worden. Den Streitwert hat das AG mit Beschluss vom 25.5.2009 auf 11.320,25 EUR festgesetzt. Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 29.6.2009 die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten auf 837,52 EUR festgesetzt und dabei eine 1,3 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3100 RVG-VV i.H.v. 683,80 EUR zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer berücksichtigt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, im Verfahren gem. § 796b ZPO falle nur eine 0,3 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3309 RVG-VV an. Mit der Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs werde kein vollstreckbarer Titel geschaffen, sondern lediglich die Zwangsvollstreckung vorbereitet. Der vollstreckbare Titel liege bereits mit dem Anwaltsvergleich vor, in dem sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung unterworfen habe. Es sei somit nur eine Vollstreckungsklausel erwirkt worden, weshalb nur die Gebühren für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anfielen. Die materiell-rechtliche Tätigkeit des Anwalts sei durch die außergerichtliche Geschäfts- und Einigungsgebühr abgegolten. Die Gebühren seien damit nur i.H.v. 157,80 EUR festzusetzen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet. Der Rechtspfleger hat zutreffend eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3100 RVG-VV festgesetzt.

1. Eine 1,3 Verfahrensgbbühr gem. der Nr. 3100 RVG-VV fällt in allen gerichtlichen Verfahren erster Instanz an, auf die Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses anzuwenden ist, wenn nicht in den folgenden Abschnitten besondere Gebühren vorgesehen sind. Die Nrn. 3100 ff. RVG-VV haben also die Bedeutung einer Auffangregelung für alle in RVG-VV, Teil 3 geregelten gerichtlichen Verfahren (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 3100 Rz. 4).

2. Die Funktion der Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs besteht darin, eine Privaturkunde in eine öffentliche Urkunde mit Titelfunktion umzuwandeln. Vollstreckungstitel ist entgegen der Auffassung der Klägerin in diesem Fall nicht der Vergleich selbst, auch wenn sich der Beklagte darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, sondern der gerichtliche Beschluss über dessen Vollstreckbarkeit. Mit Zwangsvollstreckung hat die Vollstreckbarerklärung also noch nichts zu tun (MünchKommZPO-Wolfsteiner, § 796a Rz. 28).

a) Für ein Zwangsvollstreckungsverfahren ist nämlich das Vorliegen eines Titels bereits Voraussetzung. Im Falle der Vollstreckbarerklärung hat das Prozessgericht, dessen Zuständigkeit gem. § 796b ZPO gegeben ist, dagegen vorweg zu prüfen, ob der Vergleich ordnungsgemäß zustande gekommen und damit wirksam ist. Deshalb ist auch die funktionelle Zuständigkeit des Richters gegeben und nicht die des Rechtspflegers oder gar des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, wie dies bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel (§§ 724, 725 ZPO), die das Vorliegen eines Titels voraussetzt, der Fall ist.

b) Bei der Vollstreckbarerklärung handelt es sich dagegen um eine Maßnahme, die erst einen Titel schafft und damit die Vollstreckbarkeit des Anwaltsvergleichs herbeiführt.

3. Durch die Tätigkeit der Beklagtenvertreter im vorliegenden gerichtlichen Verfahren ist somit eine 1,3 Verfahrensgebühr gem. der Nr. 3100 RVG-VV entstanden und auch zu erstatten (Gerold/Schmid/Müller-Rabe, RVG, a.a.O.; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 36 Rz. 21; Zöller/Geimer, ZPO, 27. Aufl., § 796a Rz. 30; Musielak/Voit, ZPO, 6. Aufl., § 796b Rz. 5). Der Gegenmeinung, die von einer Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Zwangsvollstreckung ausgeht und nur eine 0,3 Verfahrensgebühr gem. der Nr. 3309 RVG-VV zubilligt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Auflege, § 796b Rz. 7; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., RVG-VV 1000 Rz. 12), folgt der Senat aus den oben genannten Gründen nicht.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2213785

FamRZ 2009, 2112

NJW-RR 2010, 502

JurBüro 2009, 595

Rpfleger 2010, 54

AGS 2009, 574

FoVo 2010, 118

HRA 2009, 10

RVGreport 2009, 461

OLGR-Süd 2009, 843

RVG prof. 2010, 5...

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