Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 14.07.2006; Aktenzeichen 1 KLs 36 Js 28072/05)

LG München II (Beschluss vom 13.07.2006; Aktenzeichen 1 KLs 36 Js 28072/05)

LG München II (Beschluss vom 11.07.2006; Aktenzeichen 1 KLs 36 Js 28072/05)

StA München II (Aktenzeichen 36 Js 28072/05)

GenStA München (Aktenzeichen 15 BerL 2152/06)

 

Tenor

Die Beschwerden des Angeklagten ... gegen die Beschlüsse der 1. Strafkammer des LG München II vom 11.7., 13.7. und 14.7.2006 (betreffend die Zurückverweisung des Verteidigers Rechtsanwalt ...) und gegen die Verfügung des Vorsitzenden dieser Strafkammer vom 10.7.2006 (betreffend die Bestellung eines Pflichtverteidigers) werden als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I. Gegen den Angeklagten B. und zwei Mitangeklagte findet seit dem 11.7.2006 die Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer des LG München II statt. Als am ersten Verhandlungstag Rechtsanwalt ... als Verteidiger des Angeklagten B. mit weißem T-Shirt unter der offenen Robe erschien und auch auf Abmahnung durch den Vorsitzenden und Hinweis auf die Folgen nicht bereit war, mit Hemd und Krawatte aufzutreten, wies ihn der Vorsitzende für diesen Termin als Verteidiger des Angeklagten B. zurück. Auf Antrag des Rechtsanwalts bestätigte die Kammer mit Beschluss vom selben Tag die Verfügung.

Im Anschluss hieran wurde mit Verfügung des Vorsitzenden Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt ... bestellt.

An den folgenden Sitzungstagen am 13.7. und 14.7.2006 erschien Rechtsanwalt ... jeweils wieder in der beanstandeten Kleidung und wurde, da er weiterhin zu einer Änderung nicht bereit war, jeweils als Verteidiger zurückgewiesen.

Gegen die Zurückweisungen vom 11.7., 13.7. und 14.7.2006 und gegen die Bestellung des Pflichtverteidigers am 11.7.2006 legte Rechtsanwalt ... jeweils Beschwerden ein, denen nicht abgeholfen wurde.

II.1. Die Rechtsmittel sind gem. §§ 304, 306 StPO zulässig.

a) Der Anfechtung der Zurückweisung des Verteidigers steht § 305 S. 1 StPO nicht entgegen. Der dort vorgesehene Ausschluss der Beschwerde betrifft nur Beschlüsse und Verfügungen, die im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, lediglich der Urteilsvorbereitung dienen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (OLG Karlsruhe NJW 1977, 309, m.w.N.). Dieses trifft auf die Zurückweisung des Verteidigers nicht zu. Sie dient zwar insofern der Urteilsvorbereitung, als sie die äußere Verfahrensordnung zu sichern bestimmt war (vgl. unten S. 4, letzter Absatz), erschöpfte ihre prozessualen Wirkungen jedoch nicht hierin. Sie entfaltete daneben vielmehr eine eigenständige prozessuale Bedeutung für das Mandatsverhältnis zwischen dem Verteidiger und dem Angeklagten und ist insoweit einer Anfechtung zugänglich.

Auch § 181 GVG steht einer Anfechtung nicht entgegen. Nach der genannten Vorschrift sind sitzungspolizeiliche Maßnahmen des Vorsitzenden, soweit sie nicht in der Festsetzung von Ordnungsmitteln nach §§ 178, 180 GVG bestehen, grundsätzlich der Anfechtung entzogen (Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. § 181 GVG Rz. 5, m.w.N.). Damit würden die nach § 176 GVG ergangenen Ausschließungen des Verteidigers zwar grundsätzlich von dem Anfechtungsverbot miterfasst. Die oben bereits erwähnte, über die sitzungspolizeilichen Aspekte der Verfahrenssicherung hinausgehende Auswirkung dieser Maßnahmen für das Mandatsverhältnis führt hier aber - ausnahmsweise - zu einer Anfechtbarkeit nach §§ 304, 306 StPO (so i.E. auch OLG Karlsruhe NJW 1977, 309).

b) Die gegen den Willen des Angeklagten erfolgte Bestellung eines Pflichtverteidigers neben dem Wahlverteidiger kann mit der Beschwerde angefochten werden (Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 141 Rz. 9, m.w.N.).

2. Die Rechtsmittel haben in der Sache keinen Erfolg.

a) Rechtsanwalt ... hat gegen die Verpflichtung, vor Gericht Amtstracht zu tragen, verstoßen und konnte deshalb nach § 176 GVG als Verteidiger zurückgewiesen werden (Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 176 GVG Rz. 11).

Die Verpflichtung der Rechtsanwälte, vor Gericht Amtstracht zu tragen, ist nur in einzelnen Bundesländern gesetzlich geregelt. Fehlt, wie in Bayern, eine solche Regelung, ergibt sich die Verpflichtung aus einem seit der Reichsgesetzgebung vor mehr als 100 Jahren entwickelten bundeseinheitlichen Gewohnheitsrecht (BVerfG BVerfGE 28, 21 = NJW 1970, 851). Das bundeseinheitliche Gewohnheitsrecht findet in den bestehenden untergesetzlichen landesrechtlichen Regelungen seine inhaltliche Konkretisierung. In Bayern ist dies die Bekanntmachung über die Amtstracht der Rechtspflegerorgane vom 16.10.1956 i.d.F. der Änderung vom 26.4.1968. Sie entfaltet aufgrund ihrer Rechtsnatur als Verwaltungsvorschrift zwar keine unmittelbare Bindungswirkung ggü. den Rechtsanwälten, zeitigt aber über das Gewohnheitsrecht mittelbare Rechtswirkungen. Sie besagt, dass die Amtstracht der Rechtsanwälte (wie auch der übrigen Rechtspflegerorgane) aus einer Robe in schwarzer Farbe besteht, zu der eine weiße Halsbinde zu tragen ist. Dass dazu ein (weißes) Hemd gehört, erg...

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