Leitsatz (amtlich)

Für die Frage der Anerkennung einer in Syrien vorgenommenen Privatscheidung kommt nach der Neufassung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB vom 23.1.2013 eine analoge Anwendung der Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 (Rom III) nicht in Betracht. Vielmehr ist die Regelungslücke durch Fortschreibung der bisherigen Rechtslage dadurch zu füllen, dass das Scheidungsstatut dem Ehewirkungsstatut des Art. 14 EGBGB folgt.

 

Normenkette

EGBGB Art. 5 Abs. 1, Art. 14, 17; FamFG § 107 Abs. 1, 4, 6-7; Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 Art. 1

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 26.08.2020; Aktenzeichen XII ZB 158/18)

 

Tenor

I. Auf den Antrag der Beteiligten zu 2 wird die Entscheidung des Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom 5. November 2013 aufgehoben. Der Antrag auf Anerkennung der Scheidung gemäß Beschluss Nr. 1276 des geistlichen Gerichts aufgrund von Shari'a zu Latakia vom 20. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des gerichtlichen Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten schlossen am 27.5.1999 im Bezirk des islamrechtlichen Gerichts in Homs in der Arabischen Republik Syrien die Ehe.

Der Ehemann, Beteiligter zu 1, war seit Geburt syrischer Staatsangehöriger. Im Jahr 1977 wurde er in Deutschland eingebürgert. Seitdem besitzt er beide Staatsangehörigkeiten. Die Beteiligte zu 2 ist seit Geburt syrische Staatsangehörige. Nach der Eheschließung mit dem Beteiligten zu 1 erwarb sie die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Eheleute lebten bis 2003 oder 2004 in Deutschland, zogen dann nach Homs, Syrien. Aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien lebten die Eheleute im Sommer 2011 erneut kurzzeitig in Deutschland, zogen dann aber im Februar 2012 wieder fort, lebten abwechselnd in Kuweit und dem Libanon und reisten zumindest zeitweise auch nach Syrien. Derzeit leben beide Beteiligte wieder in Deutschland.

Der Beteiligte zu 1 hat 2013 die Scheidung dieser Ehe vor dem "geistlichen Gericht aufgrund von Shari'a" zu Latakia beantragt. Nach der Erklärung seines damaligen Anwalts, dass der Beteiligte zu 1 sich von der Beteiligten zu 2 scheiden lassen wolle, hatte das geistliche Gericht zunächst eine Frist von einem Monat zur Versöhnung gewährt. Am 19.5.2013 ließ der Beteiligte zu 1 vor dem Gericht erklären, dass eine Versöhnung gescheitert sei, woraufhin für den gleichen Tag um 12 Uhr eine Versammlung des Familienrates festgelegt wurde. In dieser stellte das Gericht fest, dass der Prozessbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 anwesend war, nicht aber die Beteiligte zu 2. Die Scheidung wurde sodann am 20.5.2013 in dem Beschluss Nr. 1276 mit folgendem Inhalt festgestellt:

Am Sonntag den 19.5.2013 erschien der Ehemann und gab bekannt, dass die Versöhnung nicht zustande gekommen ist ... . Der Termin zur Versammlung des Familienrats im Saal des geistlichen Gerichtshofs auf Grund von Shari'a zu Latakia wurde auf Sonntag, den 19.5.2013 festgelegt. ... Zum festgelegten Termin, und zwar am Sonntag, den 19.5.2013 um 12 Uhr, fand der Familienrat unter meiner Anleitung statt, ... ; der Prozessbevollmächtigte des Ehemanns war auch anwesend, während die Ehefrau fehlte, obwohl sie ordnungsgemäß vorgeladen wurde und ihr die Vorladung zugestellt worden ist. ...

Nachdem die beiden Schiedsrichter den Amtseid abgelegt hatten, bemühten sie sich sehr, sie miteinander zu versöhnen, und trotz wiederholter Schlichtungsversuche gelang ihnen die Versöhnung nicht, weil der Ehemann auf der Scheidung bestand.

Da trat der Prozessbevollmächtigte des Ehemanns näher und sagte: Du Ehefrau meines Klienten ... du bist geschieden gemäß Sunna Allahs und dessen Propheten. ...

... laut § 118 des Pesonalstatuts beschließe ich:

1- Die Bekräftigung des Scheidungsereignisses, das am 19.5.2013 zwischen dem vorgenannten Ehepaar stattgefunden hat, und so gilt die Ehefrau ... als geschieden von ihrem Ehemann ... und der Ehemann darf sich während der Wartefrist an seine Frau in Wort und Tat zur Wiederverheiratung wenden.

Im Laufe der Wartefrist kam es nicht zu einer Wiederverheiratung. Am 12.9.2013 gab die Beteiligte zu 2 eine eigenhändig unterzeichnete Erklärung über den Empfang von nach religiösen Vorschriften zustehenden Leistungen mit folgendem Wortlaut ab:

... erkläre ich ..., dass ich von ... [Beteiligter zu 1] den Betrag von zehntausend US-Dollar und dreitausend sechshundert US-Dollar durch meinen Bruder sowie sechstausend vierhundert US-Dollar durch seinen gesetzlichen Vertreter in Empfang genommen habe. Ich habe alle mir aus dem Ehevertrag und aufgrund der auf einseitigem Wunsch vorgenommenen Scheidung zustehenden Leistungen erhalten und somit befreie ich ihn von allen mir aus dem Ehevertrag und dem von dem Scharia-Gericht Latakia erlassenen Scheidungsbeschluss Nr. 1276 vom 20.5.2013 zustehenden Verpflichtungen.

Der Beteiligte zu 1 hat unter dem 30.10.2013 die Anerkennung der Ehescheidung beantragt. Der Präsident des Oberlandesgerichts München hat mit Entscheidung vom 5.11.2013 festgestellt, dass die gese...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge