Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Testaments

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bedenken die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament die gemeinsamen Kinder als Schlusserben und fehlt eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall, bildet die Verwendung der Begriffe "nach unserem Tod" und "wir" keine hinreichende Andeutung für einen entsprechenden Willen der Ehegatten für eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten (Anschluss an BGHZ 80, 242; OLG München FG Prax 2013, 72).

2. Das Nachlassgericht kann einen entsprechenden Willen der Ehegatten bei der Errichtung der Verfügung unterstellen, ohne diesen zuvor im Wege der Beweisaufnahme zu ermitteln, wenn es für den unterstellten Willen im Testament keine hinreichende Andeutung zu erkennen vermag (Anschluss an BGH NJW 2019, 2317 (2319).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084

 

Verfahrensgang

AG Augsburg (Beschluss vom 28.01.2019; Aktenzeichen 8 VI 4861/18)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg - Nachlassgericht - vom 28.01.2019 wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auch bis zu 420.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die verheiratete Erblasserin ist am 22.8.2018 verstorben. Sie hinterlässt ihren Ehemann (Beteiligter zu 1) und die beiden gemeinsamen Kinder (Beteiligte zu 2 und 3).

Die Ehegatten errichteten am 10.08.2002 ein von ihnen eigenhändig ge- und unterschriebenes Testament, in dem es auszugsweise heißt:

"Wir (Ehemann) geb. am (...) und (Ehefrau) geb. am (...) wollen dass nach unserem Tod das Haus unser Sohn (Beteiligter zu 2) ... bekommt.

Er muss aber unserer Tochter 35% ausbezahlen. Wenn noch Geld vorhanden ist, bekommt jedes die Hälfte.

(Beteiligter zu 2) bekommt die Münzen und Vaters Sachen.

(Beteiligte zu 3) bekommt Schmuck, Puppen, Handarbeiten, Kaffee- und Speiseservice, Silber-Besteck.

(Unterschriften)"

Auf der Grundlage dieses Testaments beantragte der Ehemann beim Nachlassgericht einen Alleinerbschein.

Das Nachlassgericht lehnt die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins ab. Es ist der Ansicht, dass das fragliche Testament keine Regelung für den ersten Erbfall enthalte.

Dagegen richtet sich die Beschwerde.

II. Die zulässige Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

Zutreffend ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer die Erblasserin nicht aufgrund Testaments vom 10.8.2002 allein beerbt hat.

Die dagegen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

1. Das Testament vom 10.8.2002 enthält - was auch vom Beschwerdeführer nicht angezweifelt wird - keine ausdrückliche Erbeinsetzung des Beschwerdeführers für den ersten Erbfall.

2. Soweit der Beschwerdeführer meint, eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall ergebe sich durch Auslegung der Verfügung, trifft dies nicht zu.

a) Bei einer Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH ZEV 1997, 376; FamRZ 2012, 26; Leipold in: MüKo/BGB, 7. Auflage ≪2017 ≫ § 2084 Rn. 1; Czubayko in: Burandt/Rojahn Erbrecht, 3. Auflage ≪2019 ≫ § 2084 Rn. 9; Krätzschel in: Firsching/Graf Nachlassrecht, 11. Auflage ≪2019 ≫ § 9 Rn. 11; Fleindl in: NK-Erbrecht 5. Auflage ≪2018≫ § 2084 Rn. 3).

Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den aufgeführten Formzwecken nicht gerecht werden. Sie ermangelt der gesetzlich vorgeschriebenen Form und ist daher gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig (BGH NJW 1981, 1737; OLG München FGPrax 2013, 72).

Auch wenn Ehegatten sich üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, stellt diese Tatsache keinen ausreichenden Anhalt für eine gegenseitige Erbeinsetzung dar. Die gegenseitige Erbeinsetzung kann daher nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes angenommen werden (BGH a.a.O. S. 1738; Horn in: Horn/Kroiß Testamentsauslegung, 2. Auflage ≪2019 ≫ § 24 Rn. 62; Krätzschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage ≪2019 ≫ § 9 Rn. 17 "Fehlende Alleinerbeneinsetzung").

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze teilt der Senat die Ansicht des Nachlassgerichts, wonach das verfahrensgegenständliche Testament für den ersten Erbfall keine Erbeinsetzung des Beschwerdeführers enthält.

aa) Dabei bedurfte es auch nicht zunächst einer Beweisaufnahme durch das Nachlassgericht zur Klärung der Frage klärt, ob die Ehegatten den überlebenden als Alleinerben einsetzen wollten oder nicht. Das Nachlassgericht durfte einen entsprechenden Willen unterstellen und zugleich im Wege der Testamentsauslegung ermitteln, ob ein entsprechender Wille im Testament angedeutet ist oder nicht (BGH NJW 2019, 2317/2319).

bb) Auch nach Auffassung des Senats findet sich für eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten keine hinreichende Andeutung in der Verfügung.

S...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge