Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung des Rechtsstreits durch Tod des Klägers. Aufnahme durch einzelnen Miterben. Prozesshandlung. Anwaltszwang. Ausnahme

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Rechtsstreit durch den Tod des Klägers unterbrochen worden, so kann die Aufnahme auch durch einen einzelnen Miterben erfolgen, der gem. § 2039 BGB zur Geltendmachung des Klageanspruchs berechtigt ist (Bestätigung von BGH, Urt. v. 13.5.1964 - V ZR 90/62, MDR 1964, 669).

 

Normenkette

ZPO § 239; BGB § 2039

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 07.04.2009; Aktenzeichen 15 U 70/05)

LG Bonn (Entscheidung vom 15.03.2005; Aktenzeichen 3 O 358/03)

 

Tenor

Die Unterbrechung des Verfahrens ist hinsichtlich der Kläger zu 1) bis 4) sowie 7) und 8) beendet.

 

Gründe

Rz. 1

1. Der Beklagte hat gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des OLG Köln vom 7.4.2009 Beschwerde eingelegt. Die Klägerin ist während des Verfahrens verstorben. Ihre zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten haben unter Vorlage eines Erbscheins namens der in diesem benannten Erben - zu denen auch der Beklagte gehört - die Aufnahme des Verfahrens erklärt. Der Beklagte hat dagegen geltend gemacht, dass die Prozessbevollmächtigten ohne Vollmacht gehandelt hätten. Diese haben inzwischen Vollmachtsurkunden von sechs der insgesamt neun Miterben vorgelegt.

Rz. 2

2. Die Unterbrechung des Verfahrens, die eingetreten ist, als die nicht durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertretene Klägerin nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde verstorben ist (zu diesen Voraussetzungen BGH, Beschl. v. 29.5.1951 - IV ZR 83/50, BGHZ 2, 227, 228 f.; BGH, Beschl. v. 12.11.1980 - IVb ZB 601/80, NJW 1981, 686, 687), hat mit Zustellung des Schriftsatzes vom 28.7.2011 hinsichtlich der Kläger zu 1) bis 4) sowie 7) und 8) geendet.

Rz. 3

a) Die Aufnahme ist ungeachtet dessen wirksam, dass die Prozessbevollmächtigten nicht beim BGH zugelassen sind.

Rz. 4

Die Aufnahme eines durch den Tod einer Partei unterbrochenen Verfahrens unterliegt als Prozesshandlung dem Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO); der nach § 250 ZPO einzureichende Schriftsatz muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Vor den Gerichten des höheren Rechtszugs kann eine dem Anwaltszwang unterliegende Prozesshandlung grundsätzlich wirksam nur von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden, der bei dem Gericht zugelassen ist, dem gegenüber die Prozesshandlung zu erklären ist (§ 78 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO). Wenn der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist, können daher grundsätzlich auch die Prozesshandlungen, die sich an das Rechtsmittelgericht richten, nur von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt vorgenommen werden. Dieser Grundsatz kann jedoch nicht starr durchgeführt werden. Er muss dort Ausnahmen erleiden, wo prozessökonomische Erwägungen dies nahelegen und der mit der Bestimmung des § 78 ZPO verfolgte Zweck dadurch nicht in Frage gestellt wird (BGH, Beschl. v. 8.2.2001 - VII ZR 477/00, BGHZ 146, 372 = NJW 2001, 1581). Dies ist im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde bei Aufnahme durch den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Fall.

Rz. 5

b) Die Aufnahme, deren sachliche Voraussetzungen sich hier nach § 239 ZPO richten, kann dabei auch durch einen einzelnen Miterben erfolgen (BGH, Urt. v. 13.5.1964 - V ZR 90/62, MDR 1964, 669; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Rz. 20 zu § 239 m.w.N.).

Rz. 6

c) Der behauptete Mangel der Vollmacht ist nach § 88 Abs. 2 ZPO nur auf Rüge zu berücksichtigen. Da die Rüge erst nach Zustellung des Aufnahmeschriftsatzes erfolgt ist und die Vollmacht nach § 80 Satz 2 ZPO nachgebracht werden kann, stand ihre anfängliche Nichtvorlage der Wirksamkeit der Zustellung des Aufnahmeschriftsatzes nicht entgegen.

Rz. 7

d) Damit ist die Unterbrechung hinsichtlich derjenigen Kläger beendet, für die mittlerweile eine Vollmachtsurkunde vorgelegt worden ist. Hinsichtlich der übrigen Kläger ist eine Feststellung dieses Inhalts derzeit hingegen nicht möglich. Der Nachweis der bestrittenen Vollmacht kann gem. § 80 Satz 1 ZPO nur durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde geführt werden (BGH, Urt. v. 23.6.1994 - I ZR 106/92, BGHZ 126, 266, 267 ff. = NJW 1994, 2298 - Vollmachtsnachweis). Die vom früheren Kläger erteilte Prozessvollmacht - die gem. § 86 Halbs. 1 ZPO mit dessen Tod nicht erloschen ist - genügt nach dem auch in der vorliegenden Konstellation einschlägigen Rechtsgedanken des § 86 Halbs. 2 ZPO nicht mehr.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2827029

NJW 2011, 8

EBE/BGH 2011, 380

FamRZ 2012, 26

FuR 2012, 106

NJW-RR 2012, 8

ZAP 2012, 159

ZEV 2012, 159

ErbBstg 2012, 1

MDR 2011, 1491

NJ 2012, 7

ErbR 2012, 24

NJW-Spezial 2012, 7

ZErb 2012, 54

PAK 2012, 24

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