Leitsatz (amtlich)

1. Richtet sich bei bereits anhängiger Klage die Zuständigkeit im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 2 ZPO (hypothetische BGH-Zuständigkeit), so ist dasjenige OLG zuständig, zu dessen Bezirk das "zuerst mit der Sache befasste Gericht" gehört, unabhängig davon, ob dort einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.

2. § 281 ZPO ist im Bestimmungsverfahren entsprechend anwendbar.

3. Der ausschließliche Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gilt nicht für Klagen wegen fehlgeschlagener Vermögensanlagen des ungeregelten sog. grauen Kapitalmarkts (Vorlage an den BGH).

 

Normenkette

ZPO § 32b Abs. 1, § 36 Abs. 2-3, § 281

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 3 O 105/06)

OLG Düsseldorf (Aktenzeichen I-5 Sa 80/06)

 

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts vom 28.6.2006 wird dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe

I. Die Klägerin trägt vor, sie habe sich in den Jahren 2003 und 2004 jeweils auf Anraten der Beklagten zu 2) an zwei Medienfonds (im Folgenden: VIP 3 und VIP 4) beteiligt. Aus diesen Kapitalanlagen sei ihr ein Schaden entstanden, für den die Beklagte zu 2) als Anlageberaterin/Vermittlerin der Kapitalanlagen wegen Verletzung von Informations- und Aufklärungspflichten und die Beklagten zu 1), 3) und 4) nach den Grundsätzen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung sowie aus unerlaubter Handlung einzustehen hätten. Den Beklagten zu 1) nimmt die Klägerin als Initiator beider Fonds und Prospektverantwortlichen in Anspruch, die Beklagten zu 3) und 4) als - nach ihrer Auffassung - mitverantwortliche Banken für die Verkaufsprospekte VIP 3 (Beklagte zu 3) und VIP 4 (Beklagte zu 4), die Beklagte zu 4), die einen Teil der Beteiligung der Klägerin an VIP 4 finanziert hat, zusätzlich wegen Überschreitung ihrer Kreditgeberrolle.

Die Klägerin hat Klage zum LG Wuppertal erhoben, in dessen Bezirk sie wohnhaft ist und sich die Niederlassung der Beklagten zu 2) befindet, die ihr die Beteiligungen angeraten und vermittelt hat. Der Beklagte zu 1) ist in M. in Untersuchungshaft. Die Beklagten zu 2) und 3 haben ihren Sitz in F. am M., die Beklagte zu 4) in M.. Die Klägerin ist der Auffassung, dass das LG Wuppertal für die Beklagte zu 2) nach § 21 ZPO und für die übrigen Beklagten nach § 32 ZPO zuständig ist, hat aber, da die örtliche Zuständigkeit gerügt wurde, mit Schriftsatz vom 28.6.2006 beim OLG Düsseldorf die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts beantragt. Das OLG Düsseldorf hat sich mit Beschluss vom 14.8.2006 für unzuständig erklärt und das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an das OLG München verwiesen.

II. Der Senat, der kraft der bindenden Verweisung durch das OLG Düsseldorf zur Entscheidung über den Bestimmungsantrag berufen ist, hält die Voraussetzungen der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für gegeben. An der Vornahme der Bestimmung sieht er sich jedoch durch die Entscheidungen der OLG Nürnberg (OLG Nürnberg v. 7.8.2006 - 3 AR 1681/06, BB 2006, 2212) und Koblenz (OLG Koblenz v. 12.10.2006 - 4 SmA 21/06) gehindert, die in vergleichbaren Fällen die Bestimmung mit der Begründung abgelehnt haben, für alle Klagen gegen die als Streitgenossen in Anspruch genommenen Beklagten sei der ausschließliche Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet. Der Bestimmungsantrag wird daher gem. § 36 Abs. 3 ZPO dem BGH zur Entscheidung vorgelegt. Diese hängt von der Beantwortung der Rechtsfrage ab, ob der ausschließliche Gerichtsstand für Schadensersatzklagen auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen auch bei Vermögensanlagen des ungeregelten sog. grauen Kapitalmarkts gilt. Im Gegensatz zu den OLG Nürnberg und Koblenz möchte der Senat an seiner Rechtsprechung festhalten, wonach diese Frage zu verneinen ist (OLG München v. 27.7.2006 - 31 AR 70/06, AG 2006, 722 = OLGReport München 2006, 800 = ZIP 2006, 1699).

1. Die Zuständigkeit des Senats für die hier zu treffende Entscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO im Bestimmungsverfahren.

a) Zuständig zur Entscheidung über den Bestimmungsantrag wäre allerdings nach § 36 Abs. 2 ZPO das OLG Düsseldorf gewesen, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste LG Wuppertal gehört. Der Umstand, dass im Bezirk des LG Wuppertal keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ändert daran nichts (vgl. OLG Karlsruhe v. 8.7.1999 - 19 AR 10/99, OLGReport Karlsruhe 1999, 380; BayObLG v. 5.2.2002 - 1Z AR 9/02, BayObLGReport 2002, 276). Der gegenteiligen Auffassung des 15. Zivilsenats des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe v. 11.10.2005 - 15 AR 44/05, OLGReport Karlsruhe 2006, 357) und vorliegend des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 14.8.2006 - I-5 Sa 80/06) vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Gerichte stellen im Kern darauf ab, dass, wenn noch keine Klage erhoben ist und die allgemeinen Gerichtsstände der zu verklagenden Streitgenossen in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken liegen, nach gefestigter Rechtsprech...

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