Entscheidungsstichwort (Thema)

Ergänzungspflegschaft in Erbausschlagungssache

 

Normenkette

BGB §§ 1909, 1643 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Lindau (Bodensee) (Beschluss vom 15.11.2011; Aktenzeichen 003 F 434/10)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Jugendamtes der wird der Beschluss des AG Lindau (Bodensee) unter II. des Tenors dahingehend abgeändert, dass als Ergänzungspfleger das Kreisjugendamt bestellt wird.

2. Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

i. Das beteiligte Kind I, geboren ..., befindet sich mit Zustimmung der alleinsorgeberechtigten Mutter seit dem 9.2.2006 in Vollzeitpflege im Haushalt der Familie ... in ... Das Kind ist mehrfach behindert. Es soll dauerhaft bei der Familie ... verbleiben. Die Mutter ist ständig an einen Rollstuhl gebunden und aufgrund regelmäßigen Alkoholkonsums im schlechten Allgemeinzustand. Dem Vater des Kindes steht die elterliche Sorge nicht zu.

... gehört zum Landkreis ...

Mit Beschluss vom 15.11.2011 hat das AG Lindau (Bodensee) die elterliche Sorge für das Kind ... der Mutter in den Teilbereichen Gesundheitsfürsorge, schulische Angelegenheilen, Beantragung von gesetzlichen Leistungen nach dem SGB VIII und SGB XII entzogen und in diesem Umfang das Sorgerecht auf das Jugendamt ... als Pfleger "übertragen". Zur Begründung hat das AG Lindau (Bodensee) ausgeführt, die elterliche Sorge sei hinsichtlich der Teilbereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und schulische Angelegenheiten sowie Beantragung von gesetzlichen Leistungen nach dem SGB VIII und SGB XII auf das Jugendamt ... zu übertragen, da dies dem Kindeswohl am besten entspreche. Die Kindesmutter habe der Übertragung zugestimmt. Eine Übertragung auf den derzeitig nicht sorgeberechtigten Vater komme nicht in Betracht, da dieser in keinster Weise erziehungsgeeignet sei, so dass eine Übertragung insofern des Kindeswohl widersprechen würde.

Gegen diese Entscheidung hat das Jugendamt (Sozialreferat) der Landeshauptstadt ..., Beschwerde eingelegt, soweit es als Ergänzungspfleger bestellt wurde.

Zur Begründung hat das Jugendamt vorgetragen, das Kind befinde sich seit 5 Jahren in Vollzeitpflege bei der Familie ... in ... Es sei geplant, es auch auf Dauer dort zu belassen, da die leiblichen Eltern nicht in der Lage seien, eine adäquate Versorgung und Förderung sicherzustellen. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes sei daher in ... Nach § 87c Abs. 3 SGB VIII sei das Jugendamt für eine Pflegschaft oder Vormundschaft zuständig, in dessen Bereich das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Damit sei das Kreisjugendamt ... zum Ergänzungspfleger zu bestellen. Nach der Gesetzesänderung zum Vormundschafts- und Betreuungsrecht vom 6.7.2011 sei dem Vormund bzw. Pfleger ein monatlicher Kontakt mit dem Mündel vorgeschrieben. Für das Jugendamt der Stadt ... sei der Zeitaufwand aufgrund der Entfernung - zu hoch. Liege die Amtspflegschaft beim Jugendamt ..., sei die Einhaltung dieser Vorschrift zum Wohle des Pfleglings vor allem auch in einem Notfall sichergestellt.

Die übrigen Beteiligten hatten Gelegenheit, sich zu äußern. Sie haben sich nicht geäußert.

II.1. Die Beschwerde ist nach §§ 58, 59, 63, 64 FamFG zulässig.

Die Beschwerdeberechtigung des Stadtjugendamtes der Stadt ... nach § 59 Abs. 1 FamFG ergibt sich daraus, dass das Jugendamt in seiner eigenen Rechtsstellung durch die Bestellung zum Ergänzungspfleger betroffen ist (BGH Beschluss vom 23.11.2011, XII ZB 293/11). Die Beschwerde des Jugendamtes der Stadt ... richtet sich ausdrücklich nur gegen die Bestellung als Ergänzungspfleger und nicht gegen die Grundentscheidung des Sorgerechtsentzugs.

Nach § 65 Abs. 4 FamFG hat der Senat nicht die örtliche und sachliche Zuständigkeit zu prüfen, da darauf die Beschwerde nicht gestützt werden kann. Die Zuständigkeit des AG - Familiengerichts - ist aber nach § 152 Abs. 2 FamFG gegeben, da für die Bestellung des Jugendamtes als Ergänzungspfleger nach §§ 1916, § 1791b Abs. 2 BGB das Familiengericht zuständig ist und die örtliche Zuständigkeit aus der Unterbringung des Kindes auf Dauer in der Pflegefamilie in .../Landkreis ... resultiert. § 11 BGB steht der Begründung eines solchen gewillkürten Wohnsitzes, zumal mit Einverständnis der allein sorgeberechtigten Mutter, nicht entgegen. Die Mutter hat das Kind auf nicht absehbare Zeit in die Obhut einer Pflegefamilie gegeben, so dass im Zweifel durch diesen Umstand der Kindeswohnsitz am Wohnort der Pflegefamilie besteht (OLG Köln FamRZ 1996, 859; OLG Zweibrücken DAVorm 1983, 861; BayObLG FamRZ 1994, 1130).

2. Die Beschwerde ist im vollen Umfang begründet. Als Ergänzungspfleger ist das Kreisjugendamt ... zu bestellen.

Der Beschluss des AG Lindau (Bodensee) vom 15.11.2011 ist dahingehend auszulegen, dass das AG unter II. des Tenors Ergänzungspflegschaft nach § 1909 Abs. 1 BGB angeordnet hat, weil der allein sorgeberechtigten Mutter nach dem Teilentzug der elterlichen Sorge...

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