Entscheidungsstichwort (Thema)

Absehen von Strafe durch das Revisionsgericht [Betäubungsmittelverfahren]. Geringe Menge Marihuana

 

Leitsatz (redaktionell)

1. a) Nach § 354 Abs. 1a StPO kann das Revisionsgericht bei einer Gesetzesverletzung nur bei der Zumessung der Rechtsfolgen von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolge angemessen herabsetzen.

b) Zur angemessenen Herabsetzung der Rechtsfolge gehört auch ein Absehen von Strafe nach § 29 Abs. 5 BtMG. Diese Vorschrift ist anders als die §§ 153, 153a StPO, 31a BtMG eine Strafzumessungsregel. Zwar hat der Gesetzgeber anders als bei § 354 Abs. 1 StPO ein Absehen von Strafe in die Vorschrift des § 354 Abs. 1a Satz 2 ausdrücklich nicht aufgenommen, es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum das Revisionsgericht bei einer fehlerhaften Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen von Strafe absehen können soll (§ 354 Abs. 1 StPO), bei einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen (§ 354 Abs. 1a StPO) hieran jedoch gehindert wäre.

2. Wurde 1 Gramm Marihuana vom Angeklagten zum Eigenverbrauch, nicht ausschließlich als Probierer, erworben und war es von schlechter Qualität, liegt eine geringe Menge i.S. von § 29 Abs. 5 BtMG vor.

 

Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 12.12.2006)

 

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 12. Dezember 2006 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

II. Von Strafe wird abgesehen.

III. Die Kosten der Revision und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht München verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 5 Tagessätzen zu je 15 EUR.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der (Sprung-)Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts; rechtsfehlerhaft habe es das Amtsgericht unterlassen, die Voraussetzungen des § 29 Abs. 5 BtMG zu prüfen.

II.

Das statthafte (§ 335 Abs. 1, § 312 StPO) und auch sonst zulässige (§§ 344, 345 StPO) Rechtsmittel der Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge Erfolg.

Der Statthaftigkeit der (Sprung-)Revision steht insbesondere nicht § 313 StPO entgegen. Der Senat verweist insoweit auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht vom 12.4.2007.

Der Angeklagte beantragte mit anwaltlichem Schreiben vom 30.1.2007, das Urteil des Amtsgerichts München vom 12.12.2006 aufzuheben und das Verfahren einzustellen, hilfsweise, das Verfahren zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Ungeachtet dieses Antrags, der für sich betrachtet den Schuld- und Strafausspruch des Urteils des Amtsgerichts München angreift, ergibt die Auslegung der Revisionsbegründung, dass sich der Angeklagte lediglich gegen den Rechtsfolgenausspruch wendet. Er begehrt nämlich eine “Einstellung des Verfahrens nach § 29 Abs. 5 BtMG„, der dem Gericht bei erfolgter Verurteilung lediglich ermöglicht, von einer Bestrafung abzusehen.

Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs hält das Urteil des Amtsgerichts rechtlicher Überprüfung nicht stand, da es keine Ausführungen zu § 29 Abs. 5 BtMG enthält wie dies auf Grund der geringen Menge des erworbenen Rauschgifts erforderlich gewesen wäre. Der Senat verweist auch insoweit ergänzend auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht vom 12.4.2007.

III.

Der Senat entscheidet hinsichtlich der Rechtsfolgen auf Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 354 Abs. 1 a StPO selbst; dem Verteidiger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Entscheidung des Senats kann durch Beschluss nach § 354 Abs. 1a Satz 2, § 349 Abs. 4 StPO erfolgen (vgl. BGH NJW 2006, 1605).

Nach § 354 Abs. 1a StPO kann das Revisionsgericht bei einer Gesetzesverletzung nur bei der Zumessung der Rechtsfolgen von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolge angemessen herabsetzen.

Zur angemessenen Herabsetzung der Rechtsfolge gehört auch ein Absehen von Strafe nach § 29 Abs. 5 BtMG. Diese Vorschrift ist anders als die §§ 153, 153a StPO, 31a BtMG eine Strafzumessungsregel (Weber BtMG 2. Aufl. § 29 Rn. 1454). Zwar hat der Gesetzgeber anders als bei § 354 Abs. 1 StPO ein Absehen von Strafe in die Vorschrift des § 354 Abs. 1a Satz 2 ausdrücklich nicht aufgenommen, es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum das Revisionsgericht bei einer fehlerhaften Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen von Strafe absehen können soll (§ 354 Abs. 1 StPO), bei einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen (§ 354 Abs. 1a StPO) hieran jedoch gehindert wäre. Diese Ansicht steht auch im Einklang mit dem Gesetzeszweck der Neuregelung des § 354 Abs. 1a StPO, deren Ziel es ist (vgl. Beschlussempfehlung und...

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