Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Befristung der Gültigkeitsdauer von Telefonkarten im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gültigkeitsdauer von Telefonkarten zur Nutzung öffentlicher Fernsprecher, die die Deutsche Telekom AG bis 1998 ohne Geltungszeitraum ausgegeben hatte, konnte nach den Regeln ergänzender Vertragsauslegung nachträglich bis zum 31.12.2001 begrenzt werden, wenn die Telefonkarte mit nicht verbrauchtem Guthabenwert in eine befristete Telefonkarte mit gleichem Guthabenwert umgetauscht werden kann.

Aufgrund der nachträglichen Befristung besteht weder ein Anspruch auf Auszahlung des Guthabenwerts noch ein Anspruch auf Ersatz des Sammlerwertes.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 315

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 13.06.2006; Aktenzeichen 10 O 564/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.6.2006 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Bonn - 10 O 564/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Schadensersatz in Höhe der angeblich unverbrauchten Guthaben (3.960 DM) von Telefonkarten der Beklagten geltend, die er in den Jahren 1992 bis 1994 erworben hat und die zum 1.1.2002 von der Beklagten gesperrt wurden. Ferner begehrt er Schadensersatz für angeblich verlorenen Sammlerwert dieser Karten i.H.v. 15.090,49 DM. Er sieht in der nachträglichen Sperre der Telefonkarten eine vertragliche Pflichtverletzung der Beklagten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Nach seiner Auffassung ergibt die Auslegung der vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien keinen Rechtsbindungswillen der Beklagten für eine dauerhafte Telefoniermöglichkeit mit den erworbenen Telefonkarten. Dem Kläger stehe auch kein vertraglicher Anspruch auf Ersatz des Nominalwertes der nicht verbrauchten Guthaben aus einer ergänzenden Vertragsauslegung zu. Diese ergebe vielmehr, dass die Beklagte in Bezug auf den bei Vertragsschluss nicht geregelten Punkt der Gültigkeit der Telefonkarten ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB habe, welches sie in zulässiger Weise ausgeübt habe, indem sie den Altkartenbesitzern anbot, ihre Karten unter Erhaltung des Restguthabens in neue Telefonkarten mit beschränkter Gültigkeit (3 Jahre, 3 Monate) einzutauschen. Mangels Pflichtverletzung habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Ersatz des Sammlerwertes.

Der Kläger hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet. Er rügt eine Rechtsverletzung insoweit, als das LG § 796 BGB unberücksichtigt lasse, zu Unrecht von einer Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grunde gem. § 314 BGB für die Beklagte ausgehe, in fehlerhafter Weise im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Auffassung vertrete, dass der Beklagten ein Leistungsbestimmungsrecht i.S.d. § 315 BGB zustehe, das sie dazu berechtigt habe, die Karten zum 1.1.2002 ungültig werden zu lassen. Ausführungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils ließen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung zu. Entgegen den Feststellungen im Tatbestand habe er anhand von Beispielen vorgetragen, auch in den Jahre 1992 bis 1994 durch die Werbung der Beklagten als Sammler angesprochen und angeworben worden zu sein, wie sich auch aus den Werbetexten auf den Telefonkarten ergebe. Die Beklagte habe einen Sammlermarkt bewusst geschaffen und forciert. Dazu gehöre auch das Anbieten von Telefonkartenlesegeräten zur Prüfung des Kartenguthabens. Für den Kläger habe sich daraus ein zusätzlicher Vertrauenstatbestand ergeben, der die Beklagte zum Fortbestand des Vertragsverhältnisses in der bisherigen Form verpflichte. Durch die Maßnahme der Beklagten werde nachträglich das Maß von Leistung und Gegenleistung gewaltig verzerrt. Der Schaden sei vor allem in Form des Wegfalls des Sammlerwertes entstanden.

Soweit das LG die Annahme eines Rechtsbindungswillens der Beklagten bezogen auf die dauerhafte Telefoniermöglichkeit verneine, habe es ausschließlich Gesichtspunkte berücksichtigt, die im Interesse der Beklagten lägen. Deren Verhaltensweise, die einer vorzeitigen Kündigung gleichkomme, sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar. Die von der Beklagten angegebenen Gründe lägen ausschließlich in ihrem Risikobereich. Die Ausführungen des LG zur ergänzenden Vertragsauslegung seien fehlerhaft, die Voraussetzungen des § 315 BGB zu verneinen, ebenso eine Störung der Vertragsgrundlagen gem. § 313 BGB.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.740,36 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Kl...

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