Mobile Briefmarken müssen länger als 14 Tage gültig sein

Eine AGB der Post, wonach mithilfe des Smartphones mobil erworbene Briefmarken 14 Tage nach dem Kauf ihre Gültigkeit verlieren, ist nach einer Entscheidung des LG Köln unwirksam.

Seit einiger Zeit bietet die Post über ihre App „Post & DHL“ ihren Kunden die Möglichkeit der Frankierung von Postsendungen durch Erwerb einer sogenannten mobilen Briefmarke über das Smartphone an. Der Käufer erhält nach der Bezahlung in diesem System einen 8-stelligen Porto-Code, den er handschriftlich auf dem zu versendenden Briefumschlag oder der Postkarte einträgt. Der Code wird auf dem Versandwege von der Post als gültige Frankierung erkannt.

Mobile Briefmarke lediglich als Sonderoption

Die Post möchte ihren Kunden diese Frankieroption lediglich als komfortable Sondermöglichkeit zur Frankierung von Postsendungen anbieten, wenn keine konventionelle Briefmarke zur Hand ist. In den AGB der Post heißt es hierzu:

„Die Mobile Briefmarke ist lediglich als ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch gedacht. Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit“.

Auf diese kurze Gültigkeitsdauer wird der Käufer vor Bezahlung der mobilen Briefmarke ausdrücklich hingewiesen.

Verbraucherschutzverband klagt auf Unterlassung

Diese kurze Gültigkeitsdauer störte den Dachverband der Verbraucherverbände der Länder (VZBV). Er mahnte die Post ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Nach fruchtlosem Fristablauf reichte der VZBV Klage auf Unterlassung dieser AGB-Bestimmung ein.

Post verweist auf Sachzwänge

Die beklagte Post stellte sich auf den Standpunkt, die zeitliche Begrenzung der Gültigkeit des Porto-Codes weiche nicht von zwingenden gesetzlichen Regelungen ab. Durch den Erwerb der mobilen Briefmarke komme es zum Abschluss eines Frachtvertrages, der eine Beschränkung der Gültigkeitsdauer auf 14 Tage erlaube. Aufgrund der hohen Anzahl der verkauften mobilen Briefmarken und der gleichzeitig begrenzten Anzahl von Zeichen für die Vergabe der Codes sei die zeitliche Begrenzung für dieses besondere Angebot zur Gewährleistung eines sicheren Vertriebs unabdingbar.

AGB unterliegen der Inhaltskontrolle

Das LG unterwarf die angegriffene AGB-Bestimmung der nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB vorgesehenen richterlichen Inhaltskontrolle. Nach Auffassung des LG betrifft die Befristung der Gültigkeit des Porto-Codes nicht den Kernbereich der vereinbarten Vertragsleistung. Dieser Kernbereich werde dadurch bestimmt, dass Verbraucher einen Brief oder eine Postkarte durch die handschriftliche Anbringung eines zuvor mitgeteilten Codes frankieren könnten. Die Befristung der Gültigkeit des Porto-Codes habe daher den Charakter einer zur Hauptleistung hinzutretenden Leistungsmodifikation.

Gesetzliches Leitbild sind die Verjährungsregeln des BGB

Eine solche Leistungsmodifikation ist nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. In der Regel ist nach dem Diktum des LG eine Benachteiligung unangemessen, wenn die Bestimmung in den AGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. Im Kaufrecht seien für die Dauer der Gültigkeit von Leistungsverpflichtungen die Verjährungsregeln der § § 194 ff. BGB maßgeblich. Gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt der Anspruch auf eine vereinbarte Leistung regelmäßig erst nach 3 Jahren. Zu dieser gesetzlichen Regelung stehe die Begrenzung der Gültigkeitsdauer eines Leistungsversprechens auf 14 Tage in einem diametralen Widerspruch.

Regeln zum Frachtvertrag nicht einschlägig

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nach Auffassung der Kammer der Erwerb einer mobilen Briefmarke als Kaufvertrag und nicht als Frachtvertrag im Sinne von § 407 HGB zu qualifizieren, bei dem eine Gültigkeitsbegrenzung auf 14 Tage möglich wäre. Ein Frachtvertrag komme grundsätzlich erst durch Aufgabe der jeweiligen Sendung an den Frachtführer und nicht durch eine Bestellung über das Smartphone zu Stande (BGH Urteil v. 11.10.2005, XI ZR 395/04).

AGB beinhaltet extreme Verkürzung der Verjährungsfrist

In ihrem rechtlichen Kern beinhaltet die von der Beklagten verwendete AGB nach der Bewertung des LG eine extreme Verkürzung der nach dem BGB geltenden allgemeinen Verjährungsfrist. Das LG bezog sich bei dieser Wertung auch auf die Rechtsprechung des BGH zur Gültigkeitsdauer von Telefonkarten, sonstigen Berechtigungskarten und Gutscheinen. Der BGH hatte in diesem Zusammenhang deutliche Abweichungen von der allgemeinen Verjährungsfrist durch eine Verkürzung der Gültigkeitsdauer ebenfalls als unangemessen bewertet (BGH, Urteil v. 12.6.2001, XI ZR 274/00).

Ausreichende Kombinationsmöglichkeiten für Codes

Auch das seitens der Beklagten ins Feld geführte Argument der beschränkten Verfügbarkeit von Codes überzeugte das LG nicht. Das LG rechnete genau nach. Schon bei einer Generierung des 8-stelligen Codes unter ausschließlicher Verwendung von Ziffern bestünden 100 Mio. unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten. Angesichts des von der Beklagten behaupteten Umfangs von 12 Mio. verkauften mobilen Briefmarken pro Jahr, würden die möglichen Kombinationen für Codes für mehr als 8 Jahre ausreichen, bei Kombination von Zahlen und Buchstaben noch deutlich länger.

Unangemessene Verbraucherbenachteiligung

Die extreme Verkürzung der nach §§ 195, 199 BGB geltenden 3-jährigen Verjährungsfrist stellt sich somit für das LG als nicht hinnehmbare Verletzung des vertraglichen Äquivalenzprinzips und damit im Ergebnis als eine unangemessene Benachteiligung der Kunden dar. Der dadurch bewirkte Verlust der Möglichkeit für den Verbraucher, einen nicht verjährten Anspruch geltend zu machen, beeinträchtige die Verbraucherinteressen erheblich und beinhalte damit eine unangemessene Abweichung vom gesetzlichen Leitbild.

Die seitens des Verbraucherverbandes erhobene Klage auf Unterlassung war damit in vollem Umfange erfolgreich.

 (LG Köln, Urteil v. 20.10.2022, 33 O 258/21)

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