Leitsatz (amtlich)

1. Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte ist hinsichtlich der Kosten für Fahrten zur eigenen Heilbehandlung in der Regel nicht aktivlegitimiert, wenn eine Berufsgenossenschaft solche Kosten zu ersetzen hat; entsprechende Ansprüche des Geschädigten gehen auf die Berufsgenossenschaft als Sozialversicherungsträger über.

2. Für den Beweis eines vom Schädiger zu verantwortenden Erwerbsschadens des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten nach dem Maßstab der §§ 252 S. 2 BGB, 287 Abs. 1 ZPO kann es ausreichen, dass dem Geschädigten zeitnah vor dem Unfall der Wechsel in eine neues, höher entlohntes Arbeitsverhältnis konkret in Aussicht gestellt war und dieser Wechsel ohne den Unfall mit einiger Wahrscheinlichkeit vollzogen worden wäre.

3. Ein Schmerzensgeld von 85.000 DM (= 43.459,81 Euro) ist angemessen bei folgenden von dem Opfer (28 Jahre alt, männlich) eines unverschuldeten Verkehrsunfalls erlittenen Verletzungsfolgen:

Posttraumatisches Kopfschmerzsyndrom nach Schädelhirntrauma, knöcherne, nicht vollständig konsolidierte körperferne Oberschenkelfraktur nach Falschgelenkbildung, Beinverkürzung links, geringgradige O-Beinstellung links, posttraumatische Arthrose des linken Kniegelenkes, Bewegungseinschränkungen im linken Hüft-, Knie- und oberen Sprunggelenk, Instabilität des linken Kniegelenkes, gestörtes Gangbild, Minderbemuskulung des linken Beines, Gefühlsstörungen des linken Beines, Narbenbildungen im Bereich von Thorax, Becken und linkem Bein, Bewegungseinschränkung der Langfinger der linken Hand mit Faustschlussstörung als Dauerschäden, Erforderlichkeit orthopädisch zugerichteten Schuhwerks zum weitgehenden Ausgleich des Gangbildes, MdE von 40 %; Vielzahl von operativen Eingriffen am linken Bein mit längeren Krankenhausaufenthalten in verschiedenen Kliniken, Knochenübertragung, nachfolgende stationäre Behandlung zur Arthroskopie des Kniegelenks; Erforderlichkeit der Berufsaufgabe; Umschulung, aber verletzungsbedingt wenig Aussicht, eine neue Anstellung zu finden.

4. Ein im Haftpflichtprozess von den Beklagten anerkannter angekündigter Feststellungsantrag, der erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt und auch nicht beschieden wurde, kann im Berufungsverfahren wieder aufgegriffen werden.

 

Normenkette

BGB § 252 S. 2, § 847; ZPO § 287 Abs. 1, § 307; RVO §§ 569b, 1542; SGB X § 116 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.3.2001 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Aachen – 9 O 571/95 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Aufhebung des Versäumnisurteils des LG Aachen vom 27.3.1998 und unter Klageabweisung im Übrigen werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 73.859,68 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 1.8.1994 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 1.3.1989 auf der P. straße in U.-P. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nach dem 3.9.1995 entstanden sind bzw. entstehen und soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zu 2/5 und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 3/5 zur Last, mit Ausnahme der Kosten der erstinstanzlichen Säumnis des Klägers, die dieser selbst zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch die jeweilige Gegenpartei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des gesamten aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Sicherheitsleistung kann von beiden Parteien auch durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht werden.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Opfer eines Verkehrsunfalls die Beklagten auf Ersatz seines materiellen Schadens, insbesondere des Verdienstausfallschadens, und auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch. Die grundsätzliche Eintrittspflicht der Beklagten ist unstreitig. Zu dem Unfall kam es am 1.3.1989, weil der Beklagte zu 1) mit seinem Lastkraftwagen das Vorfahrtsrecht des auf seinem Motorrad mit angepasster Geschwindigkeit fahrenden Klägers missachtete und die Fahrbahn der vorfahrtsberechtigten Straße versperrte. Der Kläger unternahm zunächst eine Vollbremsung und sprang dann von dem Motorrad ab, als er erkannte, dass er einen Zusammenstoß nicht verhindern konnte; das Motorrad stieß mit dem Lastkraftwagen zusammen, geriet in Brand und wurde vollkommen zerstört. Bei dem Absprung zog sich der Kläger schwere Verletzungen zu; auf die ausführliche Darstellung der Verletzungen und ihrer Folgen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Erforderlich wurden u.a. eine Vielzahl von operativen E...

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