Leitsatz (amtlich)

Ein Schmerzensgeld von 100.000 DM ist angemessen, wenn der bei dem Verkehrsunfall 18 Jahre alte Geschädigte infolge des Unfalles eine Vielzahl von Frakturen, insbesondere im Bereich des rechten Unterarms, des Beckens sowie der Unter- und Oberschenkel beider Beine erlitten hat und die Verletzungen gravierend waren, so dass zu ihrer Behandlung ein über sechs Monate andauernder stationärer Krankenhausaufhalt mit nachfolgender fünfmontiger teilstationärer Behandlung erforderlich war, wobei zum Teil lang andauernde Operationen und über 30 Blutübertragungen notwendig wurden, wenn ferner schwerwiegende Beeinträchtigungen verbleiben, weil die Funktionsfähigkeit des rechten Arms und beider Beine auf Dauer erheblich gemindert (MdE 70 %) und das linke Bein des Klägers um 2 cm verkürzt ist, wodurch ein hinkendes Gangbild hervorgerufen wird, der Geschädigte darüber hinaus mit einer Vielzahl unschöner Narben und Weichteildefekten, besonders im Bereich der Beine leben muss und den angestrebten Beruf als Kfz-Mechaniker nicht ausüben kann.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 847

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 9 O 112/00)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 1.9.2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Aachen – 9 O 112/00 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger 50.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.9.1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 35 % und der Beklagten zu 65 % auferlegt. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 67 % und die Beklagte 33 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat zu einem Teil Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, 3 PflVersG einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 50.000 DM Schmerzensgeld, insgesamt also einen Schmerzensgeldanspruch i.H.v. 100.000 DM. Eine Schmerzensgeldrente kann er daneben nicht verlangen; auch steht ihm ein höheres Schmerzensgeldkapital nicht zu.

1. Abweichend von der Entscheidung des LG, welches ein Schmerzensgeld von insgesamt 80.000 DM als angemessen angesehen hat, hält der Senat die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes i.H.v. insgesamt 100.000 DM für geboten.

Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, gewähren und zugleich dem Genugtuungsbedürfnis des Geschädigten Rechnung tragen (BGHZ 18, 149 [156 f.]; BGH v. 13.10.1992 – VI ZR 201/91, NJW 1993, 781 = MDR 1993, 123; v. 16.1.1996 – VI ZR 109/95, NJW 1996, 1591 = MDR 1996, 365).

Bei der Schätzung des angemessenen Ausgleichs (§ 287 ZPO) sind die Schwere und Dauer der erlittenen Schmerzen, Umfang und Dauer der bleibenden Beeinträchtigungen und die aus dem Unfall herrührenden gesundheitlichen Zukunftsrisiken zu berücksichtigen.

Der Kläger hat infolge des Unfalles eine Vielzahl von Frakturen, insbesondere im Bereich des rechten Unterarms, des Beckens sowie der Unter- und Oberschenkel beider Beine erlitten. Diese Verletzungen waren gravierend. Zu ihrer Behandlung musste sich der Kläger über sechs Monate stationär im Krankenhaus aufhalten und weitere fünf Monte teilstationär. Er wurde in zum Teil lang andauernden Operationen bislang sechs Mal operiert; hierbei waren über 30 Blutübertragungen notwendig.

Die verbleibenden Beeinträchtigungen des Klägers sind schwerwiegend. Sein rechter Arm, insbesondere aber beide Beine sind erheblich auf Dauer in ihrer Funktionsfähigkeit gemindert. Das linke Bein des Klägers ist um 2 cm verkürzt; dies ruft ein hinkendes Gangbild hervor. Der Kläger muss darüber hinaus mit einer Vielzahl unschöner Narben und Weichteildefekten, besonders im Bereich der Beine leben.

Der seitens des Klägers erlittene Dauerschaden liegt ausweislich des Gutachtens der E.-Klinik in M. vom 1.6.1999 (Bl. 35 ff. GA) bei 70 %; der Kläger hat mit Verschlimmerungen der Unfallfolgen in Form von arthrotischen Veränderungen mit weiteren Funktionsstörungen zu rechnen.

Bei der Schmerzensgeldbemessung war zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger um einen zum Unfallzeitpunkt erst 18-jährigen jungen Mann handelt. Ihn treffen die geschilderten Unfallfolgen in besonderer Weise. So kann er den angestrebten Beruf als Kfz-Mechaniker nicht ausüben; ihm ist eine altersgemäße Lebensgestaltung, wie das Sporttreiben, Tanzen, der unbefangene Besuch eines Schwimmbades und ähnliches, nicht oder nur eingeschränkt möglich. Die Bedeutung dieser Benachteiligung ist für einen Menschen im Alter von 18 Jahren hoch zu veranschlagen, weil sie sich für die gesamte Lebensdauer auswirkt.

Schließlich war bei der Ermittlung des angemessenen Schmerzensgeldes die ihm zukommende Genugtuungsfunktion einzubeziehen. Denn der Kläger ist durch einen grob fahrlässigen Verkehrsverstoß des Versicherungsnehmers der Beklagten verletzt worden; dieser hat mit seinem Pkw die von dem Kläger mit sei...

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