rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Autorecht. unsichtbares Kind, das hinter einem geparkten PKW auf die Fahrbahn läuft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Damit, dass ein bisher für ihn unsichtbares Kind hinter einem geparkten PKW auf die Fahrbahn läuft, muss ein Fahrzeugführer auch in Wohngebieten nicht stets rechnen.

2. Im Verkehrsunfallprozess ist dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Unfallrekonstruktion nur nachzugehen, wenn geeignete Anknüpfungstatsachen vorgetragen sind.

3. Verlangt ein unfallgeschädigtes Kind den Ersatz von Verpflegungsmehraufwand für seinen Vater, der auf Grund der betreuenden Anwesenheit der Mutter im Krankenhaus entstanden sein soll, so ist im Einzelnen darzulegen, dass es sich um einen unvermeidbaren Mehraufwand gehandelt hat.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 847; StVG § 7 Abs. 1-2; StVO § 3 Abs. 2a; ZPO § 403

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 18 O 452/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.03.2000 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 18 O 452/98 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 452,72 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.08.1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nur einen geringfügigen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld und auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftig entstehende materielle und immaterielle Schäden des Klägers aus dem Verkehrsunfall am 11.04.1998 in K.-E. abgewiesen; nur soweit das Landgericht auch einen Anspruch auf Ersatz des bereits entstandenen materiellen Unfallschadens gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 und 2 PflVG verneint hat, war das Urteil auf die Berufung des Klägers geringfügig abzuändern.

1.

Einen Schmerzensgeldanspruch (§§ 823 Abs. 1, 847 BGB) sieht das Gesetz nur bei nachgewiesenem Verschulden des Unfallverursachers vor. Von einerschuldhaften Herbeiführung des Unfalls durch die Beklagte zu 1.) kann jedoch nicht ausgegangen werden.

Auch gegenüber Kindern gilt der sogenannte Vertrauensgrundsatz, wonach ein Fahrzeugführer nicht ohne besondere Anhaltspunkte damit rechnen muss, dass Fußgänger kurz vor seinem herannahenden Fahrzeug die Fahrbahn betreten werden. Zwar gilt für den Kraftfahrer eine erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber Kindern und anderen erkennbar verkehrsungewandten Personen (§ 3 Abs. 2a StVO). Die Verletzung dieser Sorgfaltspflicht setzt jedoch voraus, dass er die Kinder am Fahrbahnrand gesehen hat oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerken müssen und dass das Verhalten der Kinder oder die Situation, in der sie sich befinden, auf eine mögliche Gefährdung hinweisen; damit, dass ein bisher für ihn unsichtbares Kind hinter einem geparkten PKW auf die Fahrbahn läuft, braucht ein Fahrzeugführer auch in Wohngebieten nicht stets zu rechnen (BGH, NJW 1986, 184 [185] = VersR 1985, 1088; NJW 1991, 292 [293] = VersR 1990, 1366; NJW-RR 1992, 1116 [1117] = VersR 1982, 890; NJW 1994, 941; NJW 1998, 2816 [2817]; OLG Schleswig, VersR 1999, 334 f.).

Nach dem erstinstanzlichen Beweisergebnis sowie den unstreitigen oder nachträglich noch feststellbaren Umständen kann hier der Beklagten zu 1.) ein Sorgfaltspflichtverstoß nicht zur Last gelegt werden.

Die Aussagen der in erster Instanz vernommenen Zeugen tragen – wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – zur Klärung des genauen Unfallherganges nichts bei, da keiner der Zeugen das zum Unfall führende Geschehen beobachtet hat. Insbesondere haben die Zeugen keine näheren Angaben dazu machen können, wo der viereinhalbjährige Kläger sich vor dem Unfall befand und in welcher Weise er auf die Fahrbahn lief.

Aus der polizeilichen Verkehrsunfallskizze (Bl. 5 der Ermittlungsakte 142 Js 351/98 StA Köln) und dem vom Kläger nunmehr vorgelegten Polaroid-Foto der Unfallörtlichkeit (Bl. 142 d.A.) geht hervor, dass der Kläger vom Gehweg der V.er Straße gekommen sein und die Fahrbahn in Höhe der Verkehrsinsel betreten haben muss, die sich – stadtauswärts gesehen – 9,80 m vor der Einmündung der S.straße befindet; denn unmittelbar vom Gehweg der S.straße (im Kreuzungsbereich) kann er wegen der dort entlang der V.er Straße stehenden, mit einer Kette verbundenen Begrenzungspfähle nicht auf die Fahrbahn gelaufen sein. Kurz vor der Verkehrsinsel war die Sicht von der Fahrbahn der V.er Straße auf den Gehwegbereich durch einen in der Parktasche am rechten Straßenrand abgestellten PKW verdeckt, während der rückwärtige Gehwegbereich bis zur Hausecke an der S.straße besser einsehbar gewesen sein dürfte. Je nachdem, wo der Kläger und sein Bruder sich während ihres Spiels mit dem Tennisball aufhielten und von welcher Stelle aus der Kläger dem auf die Fahrbahn rollenden Ball nachlief, können b...

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