Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenstoß von entlaufenem Pferd und Mopedfahrer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Pferd wird nicht schon dadurch zu einem Nutztier im Sinne des § 833 S. 2 BGB, dass sein Halter es zahlungshalber von einem Kunden als Gegenleistung für die von ihm ausgeführten Arbeiten als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer erworben hat. Das gilt auch, wenn er damit die Absicht verbindet, das Tier mit Gewinn wieder zu veräußern.

2. Die Umzäunung einer Pferdeweide muss, um den Anforderungen des § 833 Satz 2 BGB zu genügen, eine Mindesthöhe von 120 cm erreichen.

3. Auch bei Geschwindigkeitsüberschreitungen kann eine Haftungsbegrenzung unter dem Gesichtspunkt des Schutzbereichs der Norm geboten sein; so fällt ein Schaden, den ein unerlaubt mit 46 km/h (statt 30 km/h) fahrender Motorradfahrer durch den Zusammenstoß mit einem ausgebrochenen Pferd erleidet, nicht in den Schutzbereich einer Geschwindigkeitsbegrenzung, die mit Rücksicht auf einen Bahnübergang und eine Bushaltestelle angeordnet ist.

4. Bei einem Unfall unter Beteiligung eines Fahrzeugs und eines ausgebrochenen Tieres trifft regelmäßig den Tierhalter die überwiegende Haftung; bei einem nächtlichen Zusammenstoß zwischen einem Kleinkraftrad und einem großen schwarzen Pferd kann eine Quotierung von 20 : 80 zu Lasten des Tierhalters gerechtfertigt sein.

5. Zur Angemessenheit eines „Strafzuschlags” wegen schuldhaft zögerlicher Regulierung eines Schmerzensgeldanspruchs.

 

Normenkette

BGB §§ 833, 847

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 4 O 270/96)

 

Tenor

Die Berufung und die Anschlussberufung gegen das am 23.2.2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Aachen – 4 O 270/96 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit beträgt im Falle der Vollstreckung durch den Kläger 360.000 DM und im Falle der Vollstreckung durch den Beklagten 15.000 DM.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Folgen eines Unfalls, der sich am 14.10.1995 gegen 22.00 Uhr auf der Sch. Straße im A. er Ortsteil Sch. ereignete. Der Kläger behauptet, er sei mit einem Pferd zusammengestoßen, dessen Halter der Beklagte sei.

Der Beklagte betreibt ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen und eine Rinderzucht. Im Zeitpunkt des Unfalls verfügte er ferner über ein Pferd, das ihm nach seiner Darstellung ein Auftraggeber zum Ausgleich einer Forderung überlassen hatte. Der Beklagte hatte das Tier am Tag des Unfalls zusammen mit seinen Rindern auf einer Weide in der Nähe der Unfallstelle untergebracht. Von dort war es im Laufe des Tages entwichen. Am späten Abend, nach dem Unfall, fand es sich wieder auf dem Hof des Beklagten ein. Es hatte am rechten Vorderbein eine blutende Fleischwunde, die der Beklagte tierärztlich versorgen ließ.

Der Unfall ereignete sich unweit vom Hof des Beklagten i.H.d. Hauses Sch. Straße 176 zwischen einer Bushaltestelle und einem Bahnübergang. Der damals 16 Jahre alte Kläger kam mit seinem Honda-Kleinkraftrad aus Richtung W.. Er passierte das Ortseingangsschild von Sch. und sodann ein Geschwindigkeitsschild (Zeichen 274), durch das die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt wurde. Nach einer weiteren Strecke von rund 30m stürzte er und zog sich dabei äußerst schwere Verletzungen zu. Der Kläger ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt.

Der Kläger behauptet, er sei gestürzt, nachdem er gegen das Pferd des Beklagten geprallt sei. Die schwarze Stute sei so plötzlich in der Dunkelheit vor ihm aufgetaucht, dass er zu einer Ausweich- oder Bremsreaktion nicht mehr in der Lage gewesen sei. Er meint, der Beklagte habe für die Folgen des Unfalls ohne die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises einzustehen, da es sich bei dem Pferd um ein „Luxustier” gehandelt habe. Der Beklagte schulde ihm ein angemessenes Schmerzensgeld, eine Schmerzensgeldrente und Ersatz des materiellen Schadens. Das angemessene Schmerzensgeld hat der Kläger in 1. Instanz auf 400.000 DM beziffert.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung (31.7.1996) zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine monatliche Schmerzensgeldrente i.H.v. 500 DM ab dem 1.6.1996 zu zahlen, und zwar vierteljährlich im voraus jeweils zum 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. eines jeden Jahres,

3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6.815,12 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung (31.7.1996) zu zahlen,

4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen künftigen materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 14.10.1995 auf der Sch. Straße in A. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergehen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet, das...

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