Entscheidungsstichwort (Thema)

Massenbeförderung von Paketen ohne Transportwegkontrolle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung einer Massenbeförderung ohne Transportwegkontrolle in den allgemeinen Beförderungsbedingungen eines Paketbeförderungsunternehmens stellt keine Leistungsbeschreibung sondern vielmehr eine i.S.d. § 449 HGB unwirksame Änderung des Sorgfaltsmaßstabes des § 426 HGB dar.

2. Die für Briefe und briefähnliche Sendungen geltenden Regelungen können nicht auf die Beförderung von Paketen im postalischen Massenverkehr übertragen werden.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 04.12.2003; Aktenzeichen 86 O 20/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 01.12.2005; Aktenzeichen I ZR 103/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 4.12.2003 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Köln (86 O 20/03) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Transportversicherer der Fa. T & L Computertechnik GmbH in C (nachfolgend: VN) aus übergegangenem und abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche ggü. der Beklagten mit der Behauptung geltend, diese habe im Rahmen der ihr erteilten Transportaufträge den Verlust von Paketen mit Computerteilen im Netto-Gesamtwert von 5.788,32 Euro zu vertreten, die ihr am 6.5., 7.5. und 23.5.2002 sowie am 27.6.2002 übergeben worden seien.

Das LG hat der Schadensersatzklage in vollem Umfange stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5.788,32 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2002 zu zahlen. Hierbei hat das LG seine Entscheidung nach durchgeführter Beweisaufnahme im wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin aufgrund der vorgelegten Abtretungserklärungen ihres - von ihr - entschädigten VN aktivlegitimiert sei und ihr die Beklagte gem. §§ 425 Abs. 1, 435 HGB i.V.m. § 398 BGB, § 67 Abs. 1 VVG wegen des Paketverlustes uneingeschränkt hafte.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass alle streitbefangenen Pakete von der Beklagten abgeholt worden seien und die Pakete den sich aus den korrespondierenden Lieferrechnungen ergebenden Inhalt gehabt hätten. Da die Beklagte auf jeglichen Vortrag zur Behandlung des Transportgutes und zu etwaigen Sicherungsmaßnahmen gegen dessen Verlust verzichtet habe, sei der Rückschluss auf ihr qualifiziertes Verschulden i.S.v. § 435 HGB zu ziehen, zumal sie sich in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen ihres Vertragspartners hinweggesetzt habe.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung des LG Köln vom 4.12.2003 (Bl. 85-87 GA) Bezug genommen.

Mit der Berufung erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage und macht geltend, das LG habe verkannt, dass zwischen den Vertragsparteien (VN und Beklagte) die wirksame Vereinbarung einer Massenbeförderung ohne Transportwegkontrolle gem. Ziff. 2 der Beförderungsbedingungen (Bl. 156 ff., 157 GA) vereinbart worden sei; vor diesem Hintergrund könne trotz eines Verlustes der Pakete nicht von einem vorsätzlichen oder leichtfertigen Verhalten der Beklagten i.S.v. § 435 HGB ausgegangen werden. Es habe der Vertragsfreiheit der vertragsschließenden Parteien unterlegen, eine freie Vereinbarung über den Überwachungsstandard zu schließen. Dem Versender (VN) habe es freigestanden, einen niedrigen Standard der Überwachung bei einem niedrigen Preis für die Beförderung zu wählen oder einen höheren Preis zu zahlen und damit einen erhöhten Sicherheitsstandard zu erhalten.

Die vertragliche Vereinbarung in Ziff. 2. der Beförderungsbedingungen sei nur als Leistungsbeschreibung zu verstehen, die nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGBG oder den §§ 307 ff. BGB unterliege.

Im Streitfall habe der VN der Klägerin nur die Standardsendung gewählt und nicht die teureren Dienste des Wertpaketes oder der Express-Paket-Sendung, so dass er der Ziff. 2. der Beförderungsbedingungen den fehlenden Überwachungsstandard habe entnehmen können, wobei Ziff. 2. der Bedingungen den Serviceumfang klar definiere. Dem stehe auch § 449 HGB nicht entgegen, zumal die Haftung auch durch "normale" AGB habe abbedungen werden können, soweit es sich um eine Beförderung von Briefen oder briefähnlichen Sendungen gehandelt habe. Die vorliegend versandten Pakete seien als briefähnlich anzusehen, zumal sie im postalischen Massenverkehr versandt worden seien. Darüber hinaus seien die streitgegenständlichen Leistungsbeschreibungen aus Ziff. 2. der Beförderungsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt worden, weil der VN der Klägerin bei Vertragsschluss die Möglichkeit gehabt habe, auf den Regelungsgehalt Einfluss zu nehmen. Denn der VN der Klägerin habe die Wahl gehabt, eine der zwei weiteren angebotenen Versendungsarten (Wertpaket oder Express-Paket-Sendung) zu wählen.

Ihre Sorgfaltspflichten habe die Beklagte nicht verletzt, zumal nur eine Massenbeförderung ohne Transportwegkontrolle geschuldet gewesen sei; eine Einlassungsoblie...

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