Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckungsgegenklage gegen einen als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen ausländischen Prozessvergleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Vollstreckungsgegenklage gegen einen als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen ausländischen Prozessvergleich kann nach Art. 22 Nr. 5 EuGVVO auch in dem Staat erhoben werden, in dem die Vollstreckung stattfinden soll.

2. Mit einer im Vollstreckungsstaat erhobenen Vollstreckungsgegenklage gegen einen ausländischen Titel im Vollstreckungsstaat kann nur die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung im Vollstreckungsstaat erreicht werden. Ein obsiegendes Urteil hätte keine Folgen für eine etwaige Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat. Aus diesem Grund kann im Vollstreckungsstaat der Anspruch auf Herausgabe des Titels nicht geltend gemacht werden.

 

Normenkette

ZPO § 1086; EuGVVO Art. 22 Nr. 5; EuVTVO Art. 20

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 16.08.2011; Aktenzeichen 43 O 14/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.8.2011 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Aachen - 43 O 14/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 492.000 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich mit der Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung aus einem am 2.10.2009 vor dem LG Wiener Neustadt, Österreich, geschlossenen Prozessvergleich, den das LG Wiener Neustadt am 13.10.2010 als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigt hat (GA 420).

Die Klägerin mit Sitz in Deutschland erteilte der in Österreich ansässigen Beklagten den Auftrag, die Zusammensetzung eines bestimmten in Deutschland von einem dritten Unternehmen unter der Bezeichnung "L" vertriebenen Pflanzenschutzmittels zu ermitteln und die Chemikalie für sie zu produzieren. Hierzu stellte sie der Beklagten einen Teil der Inhaltsstoffe, darunter den Wirkstoff, zur Verfügung.

Die Parteien trafen in 2004 eine als "Geheimhaltungsvereinbarung" bezeichnete Rahmenvereinbarung über ihre Geschäftsbeziehung (GA 216), in der sie u.a. die Anwendbarkeit österreichischen Rechts auf "die Beziehung" zwischen den Parteien und Österreich als Gerichtsstand bestimmten.

In der Zeit von Februar bis April 2005 lieferte die Beklagte der Klägerin etwa 50.000 Liter einer Substanz, welche die Klägerin dann ihrerseits auf den Markt brachte. Daraufhin erwirkte das o.g. dritte Unternehmen eine einstweilige Verfügung, durch welche der Klägerin der Vertrieb, die Bewerbung und das In-Verkehr-Bringen dieses Insektizids untersagt wurde. Grund hierfür war nicht der Nachbau ihres Mittels, sondern, dass dem von der Klägerin vertriebenen Mittel die Chemische Identität mit dem zugelassenen Konkurrenzprodukt fehlte, so dass es ohne eigene Zulassung nicht vertrieben werden durfte. Die Verfügung wurde rechtskräftig und auch im Hauptsacheverfahren bestätigt.

In der Folgezeit stritten die Parteien über Zahlungsansprüche und die Rückgabe der bei der Klägerin vorhandenen Mengen des von der Beklagten gelieferten Insektizids. In einer Besprechung am 13.7.2005 erzielten sie eine grundsätzliche Einigung dahingehend, dass die Klägerin die bei ihr noch vorhandene Ware gegen einen bestimmten Preis an die Beklagte zurückgibt (Schreiben des damaligen Bevollmächtigten der Beklagten vom 14.7.2005, GA 164, und Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15.7.2005, GA 173). Der von der Beklagten zu zahlende Preis wurde durch Verrechnung mit anderweitigen Forderungen erbracht. Die Klägerin gab die Ware nicht zurück, sondern machte ein Zurückbehaltungsrecht wegen behaupteter Schadensersatzansprüche aus der aus ihrer Sicht mangelhaften Lieferung geltend.

Nachdem die Beklagte die Klägerin im Januar 2006 vor dem LG Wiener Neustadt auf Lieferung von 25.260 Liter des Pflanzenschutzmittels S, hilfsweise Zahlung von 592.094,40 EUR verklagte (Klageschrift vom 9.1.2006, GA 154), schlossen die Parteien vor dem Gericht in Wien am 2.10.2009 einen Vergleich, durch den die Klägerin sich verpflichtete, 592.094,40 EUR nebst Zinsen und Kosten an die Beklagte zu zahlen. Ziff. 2 des Vergleichs lautet:

"Von dieser Verpflichtung kann sich die beklagte Partei durch die Lieferung von 25200 Liter des Pflanzenschutzmittels "S" an die Adresse der Klägerin zum 31.1.2010 (kostenfrei) und durch die Bezahlung eines Betrages von Euro 100.000 befreien und zwar durch Zahlung (Einlangen auf dem Konto des Klagevertreters) bis 31.10.2009."

Wegen der Einzelheiten wird auf den Vergleich vom 2.10.2009 (Anl. B 18, GA 420) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem LG Wiener Neustadt vom 2.10.2009 (A...

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