Leitsatz (amtlich)

Ob eine Hautverletzung als geringfügig im Sinne von Ziff. 5.2.4.1 AUB 2004 anzusehen ist, beurteilt sich nicht in erster Linie nach der Tiefe oder der oberflächlichen Ausbreitung der Verletzung, sondern danach, ob ein Verletzungsbild entstanden ist, das - objektiv gesehen - Veranlassung gibt, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 07.05.2012; Aktenzeichen 26 O 366/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 7.5.2012 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln - 26 O 366/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Beklagte kann sich auf den Ausschlusstatbestand der Ziff. 5.2.4 AUB 2004 berufen. Danach besteht kein Versicherungsschutz für Infektionen. Dass vorliegend eine Infektion für die behauptete dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung des rechten Fußes ursächlich war, steht außer Streit. Dass die Voraussetzungen des Wiedereinschlusses nach Ziff. 5.2.4.2, 2. Spiegelstrich AUB 2004 i.V.m. Ziff. 5.2.4.1, 2. Spiegelstrich AUB 2004 vorliegen, die Infektionserreger also durch einen Unfall, der mehr als nur eine geringfügige Haut- oder Schleimhautverletzung zur Folge hatte, in den Körper eingedrungen sind, hat der Kläger nicht bewiesen. Die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen des Wiedereinschlusses - auch dafür, dass die Haut- oder Schleimhautverletzung mehr als nur geringfügig war - liegt beim Versicherungsnehmer (OLG Hamm, RuS 2007, 164; Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., AUB 2008 Nr. 5, Rz. 63; vgl. allgemein auch BGH, VersR 2009, 492 zum Wiedereinschluss bei Bandscheibenschäden).

Zugunsten des Klägers mag unterstellt werden, dass seine Ehefrau am 25.5.2009 einen bedingungsgemäßen Unfall erlitten hat, indem sie in eine rostige Schraube getreten ist, die sich in den Fuß gebohrt hat, und dass sich als Folge dieser Verletzung eine Infektion entwickelt hat. Dass durch das Eindringen der Schraube in den Fuß die Haut mehr als nur geringfügig verletzt worden ist, steht indes nicht fest.

Der in Ziff. 5.2.3.1., 2. Spiegelstrich AUB 2004 verwendete Begriff "geringfügige Haut- oder Schleimhautverletzungen" bedarf der Auslegung. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs auszulegen. In erster Linie ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Der mit ihr verfolgte Zweck und der erkennbare Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (zu allem zuletzt BGH, WM 2012, 1673, Rz. 21) Auf die Entstehungsgeschichte der Klausel kommt es demgegenüber nicht an, weil diese dem Versicherungsnehmer typischerweise nicht bekannt ist (BGH VersR 2000, 1090).

In der unfallversicherungsrechtlichen Literatur wird - zum Teil unter ausdrücklichem Rückgriff auf die Auffassung der Bedingungsgeber - eine geringfügige Hautverletzung dann angenommen, wenn die Wunde über den Bereich der Haut mit ihren drei Schichten Oberhaut, Leder- und Unterhaut nicht hinausreicht (so insbesondere Grimm, Unfallversicherung 4. Aufl., Ziff. 5 AUB 99, Rz. 87 m.w.N.; ferner Kloth, Private Unfallversicherung, Rz. K 90). Dem steht indes entgegen, dass - wie ausgeführt -die Entstehungsgeschichte einer Klausel und damit die Ansicht der Bedingungsgeber für die Auslegung einer Versicherungsbedingung unmaßgeblich ist. Auch können für die Auslegung nicht rein medizinische Wertungen entscheidend sein, weil dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer medizinische Kenntnisse in aller Regel fehlen werden. Als geringfügig wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer solche Haut- oder Schleimhautverletzungen ansehen, die keine Veranlassung geben, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie entweder überhaupt keiner Behandlung bedürfen oder mit einfachen Mitteln wie etwa mit einem Pflaster selbst versorgt werden können und bei denen zu erwarten ist, dass sie alsbald folgenlos wieder verheilen (vgl. OLG Köln - 20. Zivilsenat, r+s 2008, 345; OLG Hamm, VersR 2008, 342; OLG Koblenz, r+s 2004, 298; Knappmann in: Prölss/Martin, a.a.O., Rz. 62; Bruck/Möller/Leverenz, a.a.O., Rz. 27; Naumann, ZfS 2010, 482). Dass es insoweit nicht entscheidend auf die Tiefe der Hautverletzung ankommt, wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dadurch verdeutlicht, dass nach den Bedingungen ausdrücklich als Beispielsfälle für geringfügige Hautverletzungen Insektenstiche oder Insektenbisse angeführt sind, obwohl hierdurch regelmäßig alle drei Hautschichten durchdrungen werden (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.). Die Wertu...

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