Leitsatz (amtlich)

Aus § 193 Abs. 4 Satz 1 VVG lässt sich nicht herleiten, dass der Versicherer verpflichtet wäre, Versicherungsschutz rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Versicherungspflicht zu gewähren.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 10.07.2013; Aktenzeichen 23 O 365/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.7.2013 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des LG Köln - 23 O 365/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung der im Zeitraum vom 27.12.2011 bis zum 16.1.2012 für die Behandlung der jetzigen Versicherungsnehmerin der Beklagten entstandenen Kosten i.H.v. insgesamt 12.599,65 EUR nebst Zinsen besteht nicht.

a. Zum Zeitpunkt der Aufnahme in das von der Klägerin betriebene Krankenhaus am 27.12.2011 war die Versicherungsnehmerin nicht mehr bei der Beklagten krankenversichert.

Ein entsprechendes Versicherungsverhältnis bestand zwar bis Ende des Jahres 2005, ist dann aber unstreitig durch Kündigung seitens der Beklagten beendet worden. Ohnehin hätte ein solches Versicherungsverhältnis keinen Direktanspruch der Klägerin als Leistungserbringerin nach § 192 Abs. 7 VVG ausgelöst. Voraussetzung hierfür ist nämlich das Bestehen einer Krankheitskostenversicherung im Basistarif nach § 12 VAG. Dieser ist aber erst zum 1.1.2009 eingeführt worden.

b. Ein neuer Krankheitskostenversicherungsvertrag ist zwischen der durch ihren Betreuer vertretenen Versicherungsnehmerin und der Beklagten erst im März 2012 geschlossen worden (vgl. den Versicherungsschein, Bl. 39 ff. d.A., sowie die Annahmeerklärung, Bl. 43 d.A.).

Gemäß § 2 VVG können die Vertragsparteien zwar vereinbaren, dass der Versicherungsschutz schon vor dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses beginnt.

Jedenfalls für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 27.12.2011 bis zum 16.1.2012 ist die rückwirkende Gewährung von Versicherungsschutz jedoch nicht vereinbart worden.

Der Betreuer der Versicherungsnehmerin hat zwar im Rahmen der Antragstellung mit Schreiben vom 14.2.2012 (Bl. 24 f. d.A.) beantragt, Versicherungsschutz rückwirkend schon ab dem 27.12.2011 zu gewähren. Durch die Übersendung des Versicherungsscheins (Bl. 39 ff. d.A.) seitens der Beklagten - welcher als "Tarifbeginn" den 17.1.2012 ausweist - und die Annahmeerklärung des Betreuers vom 12.3.2012 (Bl. 43 d.A.) ist eine Rückwirkung jedoch nur auf den 17.1.2012 vereinbart worden.

c. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es der Beklagten nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass im hier streitgegenständlichen Zeitraum kein Versicherungsschutz bestand.

(1) Die Beklagte war gegenüber der Versicherungsnehmerin nicht verpflichtet, Versicherungsschutz auch für den Zeitraum vor dem 17.1.2012 zu gewähren.

Eine solche Verpflichtung ergibt sich insbesondere nicht aus § 193 VVG.

§ 193 Abs. 3 S. 1 VVG bestimmt, dass jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet ist, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen eine Krankheitskostenversicherung in einem dort näher bestimmten Mindestumfang für sich abzuschließen und aufrecht zu erhalten. Damit korrespondiert der in § 193 Abs. 5 VVG geregelte Kontrahierungszwang, wonach der Versicherer verpflichtet ist, diesem Personenkreis Versicherung im Basistarif zu gewähren.

(a) Der Kontrahierungszwang des Versicherers nach § 193 Abs. 5 VVG wird erst durch Abgabe eines annahmefähigen Angebots ausgelöst (OLG Köln, Urt. v. 2.11.2012 - 20 U 151/12, NJW 2013, 1824; Staudinger-Bork, BGB, Neubearb. 2012, Vorb. zu §§ 145-156 Rz. 29).

Die insoweit nach allgemeinen Regeln darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat schon nicht dargelegt, dass die Versicherungsnehmerin bzw. deren Betreuer der Beklagten vor dem 17.1.2012 ein entsprechendes Angebot unterbreitet hätte.

Auch mit der Berufung führt die Klägerin lediglich aus, der Betreuer der Versicherungsnehmerin habe sich bereits am 6.1.2012 an die Beklagte gewandt. Insoweit fehlt es aber an jedem Vorbringen dazu, was genau der Betreuer gegenüber der Beklagten erklärt haben soll. Zwar mag ein ausdrücklicher Antrag auf Abschluss einer privaten Krankheitskostenversicherung im Basistarif für die Auslösung des Kontrahierungszwangs nicht erforderlich sein. Jedenfalls zum Ausdruck kommen muss aber der Wille des Versicherungsnehmers, bei dem angesprochenen Versicherer überhaupt eine entsprechende Versicherung begründen zu wollen. Dies hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass der Betreuer der Versicherungsnehmerin gegenüber der Beklagten schon am 6.1.2012 - wie später im Schreiben vom 12.1.2012 (Bl. 22 ...

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